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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1
Autoren: Thomas
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es zwischen Berlin und Bonn nicht viel zu sehen. Der Flug ist grau und düster wie einer über Nebraska oder Kansas an einem Februartag. Aber die Dinge entwickelten sich freundlicher. Maas wühlte in seiner Aktentasche und förderte eine halbe Flasche Steinhäger zutage. Das war aufmerksam. Steinhäger trinkt man am besten eiskalt und spült mit einem Liter Bier nach. Wir tranken ihn warm aus kleinen Silberbechern, die er gleichfalls zur Verfügung stellte. Als die beiden Türme des Kölner Doms in Sicht kamen, waren wir beinahe per du, aber noch nicht ganz. Immerhin hatten wir uns schon so weit angefreundet, daß ich Maas anbot, ihn mit nach Bonn zu nehmen.
    »Sehr freundlich von Ihnen. Ich will mich Ihnen bestimmt nicht aufdrängen. Ich danke Ihnen sehr. Aber keiner kann auf einem Bein stehen. Machen wir die Flasche leer.«
    Wir machten sie leer, und Maas verstaute die beiden Silberbecher wieder in seiner Aktentasche. Der Pilot setzte die Maschine mit nur zwei Stößen bei der Landung auf, und Maas und ich stiegen unter der gedämpften Mißbilligung der beiden Stewardessen aus. Meine Kopfschmerzen waren verschwunden.
    Maas hatte nur seine Aktentasche, und nachdem ich meinen Koffer geholt hatte, gingen wir zum Parkplatz, wo ich zu meiner freudigen Überraschung den Wagen intakt vorfand. Deutsche Jungkriminelle – oder Halbstarke – bringen einen Wagen so schnell in Gang, daß daneben ihre amerikanischen Kollegen wie Schwächlinge wirken. In dem Jahr fuhr ich einen Porsche, und Maas geriet darüber ins Schwärmen. »Was für ein wunderbarer Wagen. Dieser Motor. Und so schnell.« Er murmelte weitere Lobsprüche, während ich den Wagen aufschloß und meinen Koffer auf dem Rücksitz verstaute, wie dieser optimistisch genannt wird. Ein Porsche weist einige Vorzüge auf, die kein anderer Wagen hat, aber Dr. Ferdinand Porsche hat ihn nicht für Dicke entworfen. Er muß die langen hageren Rennfahrertypen wie Moss und Hill vor Augen gehabt haben. Herr Maas versuchte, mit dem Kopf statt mit dem Hinterteil voran einzusteigen. Sein brauner Zweireiher öffnete sich, und die Luger, die er in einem Schulterhalfter trug, war eine Sekunde lang zu sehen.
    Ich fuhr über die Autobahn nach Bonn. Der Weg ist etwas länger und weniger malerisch als die übliche Strecke, die reisende Ministerpräsidenten, Staatsoberhäupter und Premiers nehmen, wenn sie einen Grund haben, die westdeutsche Hauptstadt zu besuchen. Der Wagen lief gut, ich hielt ihn bei bescheidenen 140 km/h, und Herr Maas summte vor sich hin, während wir an Volkswagen, Kapitänen und gelegentlich einem Mercedes vorbeizischten.
    Wenn er eine Waffe tragen wollte, war das seine Sache. Es gab Gesetze dagegen, aber es gibt schließlich auch Gesetze gegen Ehebruch, Mord, Brandstiftung und Spucken auf den Bürgersteig. Es gibt alle möglichen Gesetze, und durch den Steinhäger milde gestimmt beschloß ich, daß ein fetter kleiner Deutscher, der eine Luger herumtragen wollte, wahrscheinlich gute Gründe dafür hatte.
    Ich war noch dabei, mir zu dieser überlegenen, weltläufigen Haltung zu gratulieren, als mein linker Hinterreifen platzte. Mit dem, was ich noch immer als meisterhafte Selbstbeherrschung betrachte, hielt ich den Fuß von der Bremse zurück, trat sanft auf das Gaspedal, übersteuerte etwas und brachte den Wagen wieder in gerade Richtung – auf der falschen Fahrbahn vielleicht, aber wenigstens in einem Stück. An dieser Stelle hat die Autobahn keinen Mittelstreifen. Ein ebenso großes Glück war, daß gerade kein Verkehr aus der Gegenrichtung kam.
    Maas sagte kein Wort. Ich fluchte fünf Sekunden lang und fragte mich dabei, ob die Garantie von Michelin sich wohl bezahlt machen würde.
    »Mein Freund«, sagte Maas, »Sie sind ein ausgezeichneter Fahrer.«
    »Danke«, sagte ich und zog an dem Knopf, der die vordere Haube öffnete, unter der sich das Reserverad befand.
    »Wenn Sie mir sagen, wo Sie das Werkzeug haben, werde ich den Reifen wechseln.«
    »Das ist mein Job.«
    »Nein! Ich war mal ein ganz guter Mechaniker. Wenn Sie nichts dagegen haben, übernehme ich die Reparatur.«
    Der Porsche hat an der Seite eine Halterung für den Wagenheber, aber das brauchte ich Herrn Maas nicht zu sagen. Er hatte das Rad mit dem geplatzten Reifen in drei Minuten abmontiert; zwei Minuten später zog er die letzte Mutter des Reserverads mit einem letzten Ruck fest und drückte mit der Miene eines Mannes, der weiß, daß er gute Arbeit geleistet hat, die Radkappe auf. Er hatte
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