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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1
Autoren: Thomas
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nicht einmal die Jacke ausgezogen.
    Die Vorderhaube war noch offen, und Maas rollte den geplatzten Reifen nach vorn und hob ihn an seinen Platz. Er knallte den Deckel zu und stieg wieder in den Wagen, diesmal mit dem Hinterteil zuerst. Als wir wieder über die Autobahn rollten, dankte ich ihm für seine Mühe.
    »Nicht der Rede wert, Herr McCorkle. Es war mir ein Vergnügen, Ihnen helfen zu können. Wenn Sie so freundlich wären, mich am Bahnhof abzusetzen, sobald wir in Bonn sind, bin ich nach wie vor in Ihrer Schuld. Ich kann mir da ein Taxi nehmen.«
    »So groß ist Bonn nicht«, sagte ich. »Ich kann Sie absetzen, wo Sie wollen.«
    »Aber ich muß nach Bad Godesberg. Das ist weit entfernt von der Bonner Stadtmitte.«
    »Schön. Da fahre ich auch hin.«
    Ich fuhr über die Viktoriabrücke zur Reuterstraße und dann zur Koblenzer Straße, einem zweispurigen Boulevard, den die einheimischen Witzbolde »Diplomatenrennbahn« getauft haben. Morgens konnte man dort den Kanzler in seinem Mercedes 300 erhaben vorbeischweben sehen, eskortiert von einem Paar strammer Polizisten auf Motorrädern; eine weiße Sonderanfertigung von Porsche, die den Begleitschutz anführte, scheuchte das gewöhnliche Volk zur Seite, während die Prozession ihren Weg zum Palais Schaumburg feierlich zurücklegte.
    »Wo wollen Sie in Godesberg hin?« fragte ich.
    Er wühlte in seiner Jackentasche, zog ein blaues Notizbuch heraus und blätterte darin. »Zu einem Café. Es heißt Macs Place. Kennen Sie es?«
    »Klar doch«, sagte ich und schaltete vor einer roten Ampel in den zweiten Gang herunter. »Es gehört mir.«

2
    Wahrscheinlich kann man ein paar tausend Lokale wie Mac’s Place in New York, Chicago oder Los Angeles finden. Sie sind dunkel und still, die Möbel schon etwas abgewetzt, der Teppich durch verschüttete Getränke und Zigarettenasche zu einem unbestimmbaren Farbton verblaßt, der Barmann freundlich und flink, aber taktvoll genug, keine Bemerkung zu machen, wenn man mit der Frau eines anderen hereinkommt. Die Getränke sind kalt, großzügig bemessen und etwas teuer, der Service ist bemerkenswert, und die Küche, wenn sich die Speisekarte auch auf Hähnchen und Steaks beschränkt, serviert wirklich sehr gute Hähnchen und Steaks.
    In diesem Jahr gab es in Bonn und Bad Godesberg noch ein paar andere Lokale, in denen man einen anständig gemixten Drink bekam. Eines war der American Embassy Club, in dem man Mitglied oder Gast eines Mitglieds sein mußte. Ein anderes war der Schaumburger Hof, wo man für 2 cl Scotch Preise bezahlte, die man sich nur auf Spesenkonto leisten konnte.
    Ich hatte das Lokal im Jahr nach Eisenhowers erster Wahl zum Präsidenten eröffnet. Und da er in seiner Wahlkampagne versprochen hatte, nach Korea zu gehen und so weiter, kam die Army zu der Überzeugung, daß die nationale Sicherheit nicht erheblich leiden würde, wenn die in der ausgedehnten amerikanischen Botschaft am Rhein untergebrachte Military Assistance Advisory Group auf meine Dienste verzichtete. Tatsächlich hatte man schon läßlich spekuliert, warum ich überhaupt zum zweiten Mal einberufen worden war. Ich fragte mich das auch, da während der angenehmen zwanzig Monate meines Aufenthalts in der Botschaft, die in ein Krankenhaus umgewandelt werden soll, falls und wenn die deutsche Hauptstadt je nach Berlin verlegt wird, mich nie jemand aufgefordert hatte, bei irgend etwas Wichtigem zu beraten oder zu assistieren.
    Einen Monat nach meiner Entlassung in Frankfurt war ich wieder in Bad Godesberg und saß auf ein paar Bierkästen in einem niedrigen Raum, der einmal eine Gaststätte gewesen war. Feuer hatte sie zerstört, und ich schloß mit dem Hausbesitzer einen langfristigen Mietvertrag, nach dem er nur die grundlegenden Reparaturen vorzunehmen hatte. Jede zusätzliche Renovierung und jeder Ausbau gingen auf meine Kosten. Ich saß auf den Bierkästen, von Kisten mit Geräten, Möbeln und unausgepackten Gläsern umgeben, hielt mich an einer Flasche Scotch fest und füllte auf einer Reiseschreibmaschine in sechsfacher Ausfertigung meinen achten Antrag auf eine Lizenz aus, Speisen und Getränke feilzubieten – das alles im warmen Schimmer einer Petroleumlampe. Der Stromanschluß erforderte einen weiteren Antrag.
    Als er hereinkam, tat er dies sehr leise. Er hätte erst eine Minute da sein können, aber es konnten auch schon zehn sein. Ich fuhr zusammen, als er mich ansprach.
    »Sind Sie McCorkle?«
    »Ich bin McCorkle«, sagte ich und tippte
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