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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1
Autoren: Thomas
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weiter.
    »Sie haben hier ein hübsches Lokal.«
    Ich drehte mich um, um ihn anzusehen. »Meine Güte, einer aus Yale.«
    Er war nicht ganz einsachtzig groß und mochte ein- oder zweiundsiebzig Kilo wiegen. Er zog einen Bierkasten heran, um sich zu setzen, und die Art, in der er sich bewegte, erinnerte mich an einen Siamkater namens Pajama Cord, den ich einmal besessen hatte.
    »New Jersey, nicht New Haven«, sagte er.
    Die Uniform stand ihm gut: das schwarze Haar im Bürstenschnitt; das junge, sonnengebräunte, freundliche Gesicht; die Drei-Knöpfe-Jacke aus weichem Tweed mit einem Buttondown-Hemd und einer Krawatte mit Regimentsstreifen, deren Knoten in der Größe einer kernlosen Traube elegant gebunden war. Er trug auch kappenlose Schuhe aus Korduanleder, die im Lampenlicht schwärzlich glänzten. Die Socken konnte ich nicht sehen, nahm aber an, daß sie nicht weiß waren.
    »Vielleicht Princeton?«
    Er grinste. Es war ein Lächeln, das beinahe seine Augen erreichte. »Warm, mein Freund. Tatsächlich war es die Blue Willow Bar and Grill in Jersey City. Jeden Samstagabend hatten wir da schicke Shuffleboard-Spieler.«
    »Und was kann ich sonst noch für Sie tun, außer Ihnen einen Bierkasten als Sitz und einen Schluck auf Kosten des Hauses anzubieten?« Ich reichte ihm den Scotch, und er tat zwei kräftige Züge, ohne sich erst die Mühe zu machen, den Hals der Flasche abzuwischen. Ich fand das höflich.
    Er gab sie mir zurück, und ich trank auch einen Schluck. Er wartete, bis ich mir eine Zigarette angezündet hatte. Er schien jede Menge Zeit zu haben.
    »Ich möchte mich an Ihrem Lokal beteiligen.«
    Ich sah mich in dem Durcheinander um. »Ein Anteil an nichts ist nichts.«
    »Ich möchte mich einkaufen. Mit der Hälfte.«
    »Einfach so, wie?«
    »Einfach so.«
    Ich griff nach dem Scotch, reichte ihm die Flasche, und er trank einen Schluck, und dann trank ich noch einen.
    »Vielleicht hätten Sie gern eine Anzahlung – daß ich’s ernst meine?« sagte er.
    »Hab ich was davon gesagt?«
    »Es heißt, Geld ist immer ein gutes Argument«, sagte er, »aber ich habe ihm nie so richtig zugehört.« Er griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Stück Papier heraus, das sehr nach einem Scheck aussah. Er reichte es mir. Es war ein Scheck, in Dollar auf eine New Yorker Bank ausgestellt. Er war beglaubigt. Er trug meinen Namen. Und er lautete genau über die Hälfte des Kapitals, das ich brauchte, um die Pforten zu Bonns neuestem und freundlichstem Bar-and-Grill zu öffnen.
    Ich reichte den Scheck zurück. »Ich brauche keinen Partner. Ich will keinen.«
    Er nahm den Scheck, stand auf, ging zu dem Tisch, auf dem die Schreibmaschine stand, und legte den Scheck darauf. Dann drehte er sich um und sah mich an. Sein Gesicht war ausdruckslos.
    »Wie wär’s mit einem weiteren Drink?« fragte er.
    Ich reichte ihm die Flasche. Er trank und gab sie mir zurück. »Danke. Jetzt werde ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Es wird nicht lange dauern, aber wenn ich fertig bin, werden Sie wissen, warum Sie einen neuen Partner haben.«
    Ich trank einen Schluck. »Nur zu. Ich habe noch eine Flasche, falls wir trockenfallen.«
    Er hieß Michael Padillo, sagte er, als er dort in dem unordentlichen, halbdunklen Raum saß und sprach. Er war halb Este, halb Spanier. Sein Vater war in Madrid Rechtsanwalt gewesen, hatte sich im Bürgerkrieg auf die Seite der Verlierer gestellt und war 1937 erschossen worden. Seine Mutter war die Tochter eines estnischen Arztes. Sie hatte Padillos Vater 1925 bei einem Urlaub in Paris kennengelernt. Sie heirateten, und der Sohn wurde im folgenden Jahr geboren. Seine Mutter war eine beeindruckende, ja schöne, hochkultivierte und hochgebildete Frau.
    Nach dem Tod ihres Mannes erreichte sie dank ihres estnischen Passes Lissabon und schließlich Mexico City. Dort überlebte sie durch Klavierstunden und Sprachunterricht in Französisch, Deutsch, Englisch und gelegentlich Russisch.
    »Wenn man Estnisch kann, kann man alles sprechen«, sagte Padillo. »Sie sprach akzentfrei acht Sprachen. Sie sagte mir einmal, daß die drei ersten Sprachen am schwersten zu lernen sind. Einen Monat lang haben wir nur Englisch gesprochen, im nächsten Französisch. Dann Deutsch oder Russisch oder Estnisch oder Polnisch und zurück zu Spanisch oder Italienisch und danach das Ganze wieder von vorn. Ich war jung genug, daß es mir Spaß gemacht hat.«
    Padillos Mutter starb im Frühjahr 1941 an Tuberkulose. »Ich war damals
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