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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Szameit
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daß er belogen wurde! Ihm ist bekannt, daß
die Digitalisierung ein Irrweg ist, und er hat sofort Maßnahmen ergriffen, um
das Versprechen dennoch einlösen zu können! Die Erkenntnis überwältigt Hyazinth
in einem Maße, daß ihm fast der Atem stocken will.
    Aber warum? dröhnt es in ihm.
Warum muß man das geheim halten? Wenn Tremakut und seine Leute davon wüßten,
sie würden sich sofort an die Seite des Ersten Administrators stellen! Kein
Wunder, daß sie von Betrug reden, wie anders könnten sie auch angesichts der
Festungskasematten, in denen Millionen und Abermillionen Menschen liegen, die
angeblich digitalisiert sind – die aber in Wahrheit Geborgenheit und Sicherheit
gefunden haben, bis zu dem Augenblick, wo man ihnen echte Unsterblichkeit des
Leibes und des Geistes zu geben vermag.
    Oh Rutila! Du hättest doch nicht
sterben müssen! Warum, warum, warum?
    Als Hyazinth die Frage, am ganzen
Leib vor Erregung zitternd stellt, antwortet Korund Stein: “Ich sag’s doch, er
hat nichts, aber auch wirklich gar nichts begriffen. Vielleicht hast du recht,
Sirrah. Er ist eine seltsame Mutation, kommt weder nach dem Vater, noch nach
der Mutter. Er – ”
    “Laß die Mutter aus dem Spiel!”
unterbricht ihn Sirrah schrill. “Du kennst sie nicht! Was weißt du von dem, was
eine Mutter weiß…”
    “Schweig! Ich will es ihm sagen.”
Er wendet sich Hyazinth zu und atmet tief durch, damit die unverständliche
Erregung niederkämpfend.
    “Du hast recht: Es gibt keine
Digitalisierung.”
    Er wartet Hyazinths Reaktion ab
und registriert mit Befriedigung, daß diese unerheblich ist. “Aber es gibt die
Chance auf wahrhafte Unsterblichkeit. Du hat das hoffentlich wirklich kapiert.
Und nun überlege: Würden wir öffentlich bekanntgeben, daß uns ein Irrtum
unterlaufen ist, daß Copyworld   zwar eine
großartige Sache ist, aber nicht den Traum aller Träume erfüllen wird – die
Menschen würden aufspringen und zum Knüppel greifen. Sie sind so, glaube mir!
Du kennst diejenigen, die mit der Macht von Urkräften ihrer Enttäuschung Luft
machen, vor Zerstörung und Mord nicht zurückschrecken… Jaja, deine Motive, für
sie einzutreten, achte ich durchaus, aber mit Achtung schafft man dieses
Problem nicht aus der Welt. Deine besinnlerischen Freunde sind gefährlicher,
als du jemals vermuten wirst. Gefällt ihnen an einem Bild diese eine Farbe
nicht, verbrennen sie gleich das ganze Bild. Das nennen sie dann Revolution.
Und wenn das Bild dann endlich zu Asche zerfallen ist, malen sie ein
neues,   und das sieht dann fast genauso
aus – ohne diese eine Farbe natürlich. Und siehe da: ohne diese verdammte,
giftige, schmutzige Farbe wird das Bild der blanke Kitsch. Mach nicht solch ein
aufsässiges Gesicht! Was haben deine sogenannten antisteinistischen Freunde den
schon zu bieten, he? Habt ihr euch jemals über ihre Ziele unterhalten? Oder
vielleicht nicht immer nur über das, was es abzuschaffen gilt? Gut, gut –
darüber reden wir später. Aber nun stell dir einmal vor, was geschähe, wenn wir
in aller Öffentlichkeit bekanntgäben, daß in den Weltensteinischen
Forschungszentren das Elixier des ewigen Lebens entdeckt worden ist: Auf der
Erde würde sich ein Sturm aus Leibern erheben, und dieser Orkan würde
Weltenstein hinwegfegen! Sie würden alles, was wir hier errichtet haben,
niedertrampeln in ihrer animalischen Gier. Sie würden sich selbst tottrampeln,
sie würden wie eine gewaltige Amöbe über alles herfallen und zum Schluß sich
selbst verschlingen. Sie sind so, glaube mir!”
    “Wer ist das: sie?” fragt
Hyazinth atemlos, denn die Worte des Exarchen haben in ihm etwas wachgerufen,
was er bisher unter unsäglichen Qualen in sein Unterbewußtsein verdammt, was er
geleugnet und verabscheut hat: Das Bewußtsein, einer Elite anzugehören.
    “Pöbel, Abschaum, Basismaterial,”
    Korund Stein sagt es ohne eine
Gefühlsregung.
    Noch einmal begehrt Hyazinth auf,
verzweifelt und unkontrolliert: “Nein, nein! Tremakut, Rhomega, Tauphi…” Er
stockt kurz. “Und Tauphi sind kein Pöbel –”
    “Deine Tauphi hat deine Rutila
ermordet.”
    Für einen Moment zögert Hyazinth,
dann brüllt er zornig auf: “Ja! Das genau ist es! Ich will jetzt von dir
wissen, ob irgendetwas Rechtfertigung dafür sein kann, daß ein blutjunges,
zartes Mädchen ein anderes blutjunges Mädchen ermorden muß! Ich will jetzt
wissen, ob es überhaupt was gibt, was mehr wert ist als dieses eine, ganz
persönliche, ganz eigene Leben; ob
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