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Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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...
    Plötzlich packt mich eine Hand am Oberarm.

    Es ist aber gar kein Krake, der mich aufhält. Es ist Anti.
    »Wo willst du hin?«, fragt mich meine Schwester.
    »Lass mich los!«, brülle ich sie an. »Wir werden alle sterben, wenn ich den Bus nicht rette!«
    Es ist nicht meine Schuld, wenn hier gleich Panik ausbricht. Anti hätte mich einfach nicht aufhalten dürfen.
    »Wovon redest du?«
    Meine arme, unwissende Schwester hat keine Ahnung, in was für einer tödlichen Gefahr sie schwebt.
    »Der Fahrer ist bewusstlos! Wir sind auf der falschen Straßenseite! Gleich gibt es einen Zusammenprall!«
    Anti stöhnt laut auf und sieht mich nachsichtig an.
    »Wir sind längst in England. Da gilt Linksverkehr. Schon mal davon gehört?«
    »Aber ... aber ... aber ...« Irgendwie geht in meinem Kopf gerade zu viel durcheinander, als dass ich einen vernünftigen Satz herausbringen könnte.
    »Du hast die ganze Überfahrt hinter deiner Jacke verpennt. Da wollte ich dich nicht wecken.«
    Beschämt und geschlagen schleiche ich zurück zu meinem Platz. Jetzt bin ich nicht nur der Depp mit der Liebesschnulze, sondern der Depp mit der Liebesschnulze, der völlig unnötig den Bus retten wollte.
    Alle lachen, und wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich das sicher auch. Nur Lena lacht nicht. Sie guckt mich mitleidig an, und das ist fast noch schlimmer, als wenn sie mich auslachen würde.
    Ich verkrieche mich wieder unter meiner Jacke und bleibe dort, bis wir London erreicht haben.

    Wir sind viel schneller am Ziel, als ich erwartet hatte. In dem Nest, in dem uns der Reiseleiter zum Aussteigen auffordert, gibt es etwa fünfzig Häuser ... großzügig geschätzt. Sonst sind da nur Felder, Wiesen und Wälder, abgesehen von einer kleinen Burg, die auf einem Hügel hinter dem Dorf liegt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch nicht der Buckingham-Palast ist.
    »London ist ja echt nicht besonders groß«, stellt Justin fest, als er aus dem Bus auf die ungepflasterte Straße tritt.
    »Hatte ich mir auch anders vorgestellt, Alter. Egal, das macht’s leichter, diesen Big Ben zu finden«, erwidert Alex.
    Anti ist die Erste, die die Frage ausspricht, die alle außer Alex und Justin beschäftigt: »Wo sind wir hier gelandet?«
    »Ein Vorort von London«, erklärt der Reiseleiter. »Hier ist es viel ruhiger als in der Stadt und bis in die City ist es ja nun wirklich nicht weit.«
    Der Mann zeigt auf einen blauen Wegweiser. Darauf steht »London 5 Miles«.
    Weit und breit ist niemand zu sehen, der uns abholt. Wir hocken mit unserem Gepäck auf der staubigen Straße und warten, bis unsere Gastfamilien erscheinen, um uns unsere Unterkünfte zu zeigen.
    Es kommt aber niemand.
    Das ganze Dorf ist so still, als wäre es von den Bewohnern schon vor Jahren verlassen worden. Vielleicht ist in der Nähe ein Atomkraftwerk durchgebrannt, und wir haben es nicht mitgekriegt, weil wir alle im Bus saßen.
    »Keine Sorge, die kommen schon noch«, beruhigt uns der Reiseleiter und schaut auf seine Uhr.
    Weil ich sowieso nichts Besseres zu tun habe, schlendere ich zu dem »London 5 Miles«-Schild hinüber. Ich weiß nicht genau, was, aber irgendetwas stimmt damit nicht. Als ich ganz nah davorstehe, sehe ich, dass irgendwer die Null hinter der Fünf mit blauer Farbe übermalt hat.

3. Kapitel
    Home, sweet home

    Nach und nach tauchen dann doch noch ein paar Engländer auf. Leider versteht man nicht, was sie sagen. Ihre Sprache hat mit dem Englisch, das wir in der Schule gelernt haben, so viel zu tun wie Italienisch mit Finnisch. Die Leute sprechen einen Dialekt, der wie das Knurren eines Hundes klingt, dem man seinen Knochen wegnehmen will. Manche von denen sehen auch genauso aus.
    Lächeln scheint in dieser Gegend nicht so verbreitet zu sein.
    Vielleicht, überlege ich, sind das alles rechtlose Leibeigene, die von ihrem Herrn dort oben auf der Burg geknechtet und ausgebeutet werden. So ähnlich wie die armen Bauern bei Robin Hood, der war doch auch Engländer.

    Sogar unserem Reiseleiter fällt es schwer, die Leute zu verstehen. Nur mit Mühe kann er uns alle den richtigen Familien auf seiner Liste zuordnen. Hat er die Namen endlich gefunden, schlurfen die Armen mit hängendem Kopf ihren Gasteltern hinterher, als hätten die sie gerade in einem Ein-Euro-Markt für Haussklaven gekauft.
    Am Schluss sind nur noch Lena, Alex, Justin und ich übrig.
    Anti hat sich schon vor einer halben Stunde verabschiedet.
    »Ich geh mir ein bisschen die Beine vertreten«,
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