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Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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hat sie gesagt, und weg war sie.
    Wahrscheinlich sucht sie die Haltestelle, wo die Dorfjugend abhängt, um selbst gedrehte Zigaretten zu rauchen und Bier aus der Flasche zu trinken. So eine Haltestelle gibt es überall. Selbst im kleinsten Kaff und wahrscheinlich sogar im tiefsten Afrika oder am Nordpol, wo gar keine Busse fahren, sondern nur Hundeschlitten. Da sitzen die Eskimo-Teenager dann in ihren Robbenfelljacken, trinken Lebertran und warten darauf, dass es dunkel wird, damit sie auf die nächste Igluwand ihre Graffiti sprayen können. So stelle ich mir das wenigstens vor.

    Lena hockt auf ihrem Koffer und ist sauer. Nicht auf mich. Na ja, wahrscheinlich auch. Wegen des Songs im Bus. Aber noch wütender ist sie auf die Veranstalter. Sie hat vorhin schon dem Reiseleiter den Vertrag unter die Nase gehalten. Schwarz auf weiß steht darin, dass unsere Unterkünfte keine fünf Minuten von der Londoner City entfernt sein sollen. Der Reiseleiter hat nur mitleidig gegrinst und ihr das Kleingedruckte auf der Rückseite gezeigt. Das mit den fünf Minuten war schon korrekt. Aber nur, wenn man einen Hubschrauber nimmt.
    Die Einzigen, die noch nicht kapiert haben, in was für einer hoffnungslosen Lage wir uns befinden, sind Alex und Justin. Sie streiten darüber, ob es in London einen McDonald's gibt oder nicht.
    »Alter, guck dich doch um. Hier gibt es noch nicht mal ’nen Döner-Laden«, sagt Alex gerade.
    »Aber irgendwas müssen die doch essen. Echt, ohne McDonald's und Döner verhungern die Londonesen doch«, erwidert Justin.
    »Vielleicht sind die deswegen alle so mies drauf. Die haben Hunger, Alter.«
    »Kann echt sein. Bloß gut, dass ich im Bus nicht alles aufgegessen hab.« Justin kramt einen halben Döner hervor, der in einer durchsichtigen Plastiktüte steckt. Ehe ich den beiden erklären kann, dass ...

    1) das hier nicht London ist,
    2) die Bewohner Londons nicht Londonesen heißen und
    3) man durchaus auch ohne Hamburger und Döner überleben kann,

    ... braust ein Rolls-Royce die Dorfstraße entlang und bremst genau vor unserem Bus.

    Die Fahrertür öffnet sich und ein alter Mann klettert mühsam aus dem Wagen. Er trägt einen schwarzen Anzug, weiße Handschuhe und sieht genauso aus wie dieser Butler in dem Fernsehsketch »Dinner for One«, den sich meine Eltern jedes Silvester anschauen. Der Butler läuft einmal um den Wagen herum. Das dauert. Nicht nur, weil er so alt ist, sondern auch, weil der Wagen so lang ist. Als er endlich herum ist, reißt er die hintere Tür auf und brüllt mit heiserer Stimme, so laut er kann: »Our Lordship, the Earl of Sherwood-Wellington, Duke of South-North-Indian and the Islands of Nocash.«
    Ein Junge, kaum älter als ich, steigt aus. Als er uns sieht, legt er seine Stirn in Falten und schüttelt dazu missbilligend den Kopf. Wahrscheinlich, weil wir uns nicht alle augenblicklich vor ihm in den Staub geworfen haben.
    »Nieder mit dem Adel! Es lebe die Demokratie«, würde ich am liebsten rufen, weil mir der Typ auf den ersten Blick unsympathisch ist. Ich lasse es dann aber doch, denn sonst müsste ich Alex und Justin später lang und breit erklären, was Demokratie bedeutet. Dafür würden die zwei Wochen in England bestimmt nicht ausreichen.

    Der kleine Lord lässt seinen Blick noch einmal herablassend über uns Jungen schweifen, dann wendet er sich Lena zu.
    »Ich bitte tausendfach um Verzeihung für meine unverzeihliche Verspätung«, sülzt er in perfektem Deutsch mit einem ganz leichten englischen Akzent. »Du musst Lena sein. Ich bin überaus entzückt, dich kennenzulernen.«
    Er nimmt ihre Hand und drückt seine Lippen auf ihre Finger. Alex und Justin prusten los und auch ich kann mich kaum beherrschen.
    »Ganz meinerseits«, haucht Lena zurück und wird ganz rot im Gesicht.
    Sie versucht einen Knicks und wirft mir dabei gleichzeitig einen bösen Blick zu, weil es mit meiner Selbstbeherrschung jetzt endgültig vorbei ist.
    »Nenn mich einfach Charles«, sagt der kleine Lord, der unser Gelächter einfach ignoriert und Lena zu seinem Rolls-Royce führt. Der alte Butler hat Lenas Koffer schon in den Kofferraum geladen und der Schleimer hält Lena die Tür auf. Als ob sie das nicht selber könnte! Lena steigt in den Wagen, ohne sich noch einmal nach uns umzudrehen. Der kleine Lord klettert hinterher und der greise Diener schließt die Wagentür hinter den beiden. Sie fällt so leise ins Schloss, dass es nicht einmal klick macht.
    »Morgen früh um neun beginnt der
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