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Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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schlechte Schwingungen stören könnte.
    Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, den Kuss nachzuholen, den ich damals beim Kostümfest in unserer Turnhalle versaut habe. Leider schwankt das Schiff immer noch so sehr, dass ich nicht sicher bin, ob ich ihren Mund treffe. Ich muss warten, bis gerade eine Welle vorüber ist, dann kann ich es wagen.
    Die Welle kommt, die Welle geht, doch ehe ich Lena küssen kann, öffnet sich die Tür zum Parkdeck hinter uns.
    Es sind Alex und Justin, die sich etwas Warmes für die Ohren geholt haben. Justin trägt eine Bärenfellmütze – keine Ahnung, wo er die geklaut hat –, und Alex hat Admirals Nelsons Hut auf dem Kopf, aber das merke ich erst, als Lena meinen Arm von ihrer Schulter stößt und aufgeregt auf das Ding auf Alex’ Kopf zeigt.
    »Da ist ja der Hut!« Lena sieht mich wütend mit funkelnden Augen an. »Von wegen Beweise! Du wolltest Charles nur schlechtmachen! Dabei ist er unschuldig! Und jetzt muss er wegen dir ins Gefängnis! Das ist so hinterhältig, Kai! Ich will dich nie, nie wieder sehen!«
    Ich habe gerade ein Déjà-vu-Erlebnis.
    Lena dreht sich um, drängelt sich an Alex und Justin vorbei und verschwindet heulend die Treppe hinunter.
    »Was ist denn mit der los, Alter?«, fragt Alex.
    »Echt voll hysterisch, die Kleine!«, sagt Justin.
    »Wieso habt ihr mir den Hut damals nicht gezeigt? Damals bei den Foolmans, als ihr stolz eure Beute präsentiert habt?« Ich verstehe immer noch nicht, wo der Hut plötzlich herkommt.
    »Das war doch nur das Wichtigste, Alter. Haben wir doch gesagt.«
    »Und so ein alter Hut ist doch echt nicht wichtig.«
    Die beiden kapieren nicht, warum ich mich so aufrege. Sie haben ja auch noch nie etwas von Admiral Horatio Nelson gehört, und wie sich ein gebrochenes Herz anfühlt, wissen sie auch nicht.
    Während ich noch immer fassungslos Alex’ Kopfbedeckung anstarre, überschwemmt eine neue Riesenwelle das Deck. Das eisige Wasser reißt Alex den Hut vom Kopf und nimmt ihn mit ins Meer.
    Entsetzt starre ich hinterher.
    Mir bleibt keine Wahl. Ich brauche den Hut, um Charles von meinen eigenen Vorwürfen zu entlasten. Wenn ich das nicht tue, wird Lena mir das nie verzeihen. Dann gibt es für uns keine dritte Chance, falls es die überhaupt jemals geben sollte.

    Noch während ich springe, höre ich hinter mir lautes Rufen: »Junge über Bord!«
    Die hätten ruhig »Mann über Bord« sagen können, finde ich.
    Zum Glück bin ich ein guter Schwimmer. Ein sehr guter sogar, deswegen schaffe ich es trotz der hohen Wellen, den Hut zu erreichen, der wie ein Rettungsring auf dem Wasser treibt. Ich nehme die Krempe in den Mund, damit ich die Hände zum Kraulen frei habe. Hinter mir haben die Leute von der Fähre ein Rettungsboot ins Wasser gelassen. Ich schwimme darauf zu und ziehe mich mit letzter Kraft an Bord. Die Fähre ist schon ein gutes Stück weiter, weil es gar nicht so leicht ist, mit einem Riesendampfer eine Vollbremsung hinzulegen.

    Willkommen in der Gegenwart: Jetzt wisst ihr, wie ich in dieses Boot gekommen bin. Während ich euch meine Geschichte erzählt habe, hat die Fähre gewendet und mich auch schon fast erreicht. Das wird auch höchste Zeit, weil durch das Leck immer noch Wasser ins Boot strömt und mir das jetzt schon fast bis zu den Knien steht.
    Wenn ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, werde ich der Königin einen neuen Brief schreiben müssen. Ich werde ihr ein Päckchen packen und den Hut dazulegen. Damit sie Ihre Lordschaft, the Earl of Sherwood-Wellington, Duke of South-North-Indian and the Islands of Nocash, wieder freilässt, falls sie ihn nicht längst hat hinrichten lassen. Aber soweit ich weiß, wird Versicherungsbetrug in England nicht mit der Todesstrafe geahndet. Das heben sich die Briten für die wirklich üblen Verbrechen auf, wie sich in der Schlange vordrängeln oder den Fünfuhrtee schon um vier trinken.
    Apropos Brief: Da fällt mir die Nachricht an Adolf Schmitz ein. Ich hole die Serviette aus meiner Tasche. Das Siegel hat sich im Wasser aufgelöst, und als ich das Blatt vorsichtig auseinanderfalte, sehe ich, dass die Schrift völlig zerlaufen ist. Man kann kein Wort mehr lesen, und wenn Adolf Schmitz das jemals erfahren sollte, reißt er mir den Kopf ab.
    Genau wie meine Eltern, wenn sie mitkriegen, dass das einzige englische Wort, das ich in den zwei Wochen gelernt habe, »down« heißt.
    Und Lena? Die ist sowieso nicht gut auf mich zu sprechen.
    Wenn ich es mir genau überlege, gibt es nicht so
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