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Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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seufze laut, und Anti, die neben mir auf der Rückbank hockt, schaut zu mir herüber.
    »England wird toll! Nicht wie hier, wo ständig die Sonne scheint. In England ist das Wetter immer trübe und so richtig schön depri«, versucht sie mich zu trösten, weil sie das mit dem Seufzer irgendwie falsch verstanden hat.
    Anti heißt eigentlich Antigone, aber der Name gefällt ihr nicht. Sie nennt sich Anti, und ehrlich gesagt passt das auch viel besser zu ihr.
    Anti wendet sich wieder ab, schaut aus dem Fenster und schaltet ihren iPod ein. Das kann man sehen. Die langen, schwarz gefärbten Haare, die ihr Gesicht und ihre Ohren bedecken, flattern rhythmisch auf und ab, weil sie die Bässe so laut aufgedreht hat.
    Irgendwann werde ich mich bei »Wetten, dass ...?« bewerben.

    Mein Wettvorschlag für Thomas Gottschalk: »Wetten, dass ich am Flattern der Haare meiner Schwester erkennen kann, welchen Song sie gerade hört?«

    Fürs Fernsehen müsste sich Anti dann allerdings etwas freundlicher anziehen. Farblich passend zu ihren schwarz gefärbten Haaren trägt sie ausschließlich schwarze Klamotten, und das kommt auf dem Bildschirm ungefähr so sympathisch rüber, als würde Darth Vader das Wetter ansagen.

    Wir fahren vorbei am Altenheim
Das letzte Bett
, und da fällt mir ein, dass ich ganz vergessen habe, mich von Adolf Schmitz zu verabschieden.
    »Anhalten! Sofort anhalten!«, brülle ich.
    Mein Vater steigt voll in die Bremsen. Wahrscheinlich glaubt er, dass ich meinen Pass vergessen habe oder die zwanzig Packungen Schwarzbrot, die mir meine Mutter eingepackt hat, weil die Engländer getoastete Holzspäne statt richtiges Brot zum Frühstück essen.
    Adolf Schmitz wohnt im
Das letzte Bett
und ist so eine Art Freund von mir, obwohl er mich ursprünglich für einen Taschendieb gehalten hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
    Ich greife durch das offene Seitenfenster nach dem Türgriff. Von innen kann ich die Tür nicht öffnen, weil meine Eltern glauben, dass Autofahrten ohne Kindersicherung für Zwölfjährige viel zu gefährlich sind.

    Ich habe keine Lust auf lange Diskussionen. Mit COOLMAN kann man sowieso nicht diskutieren. Also öffne ich noch einmal die Tür, damit COOLMAN aussteigen kann. Anti sieht mich durch ihre langen schwarzen Haare hindurch an, als wäre ich verrückt geworden. Sie weiß nichts von COOLMAN, genauso wenig wie meine Eltern. Das ist auch besser so, weil ich sonst meinen Urlaub mit Sicherheit nicht in England, sondern in irgendeiner Klinik verbringen müsste.
    »Wir treffen uns am Bus«, rufe ich und laufe schnell auf das Altenheim zu.
    Zeit habe ich genug, weil meine Mutter für Reisen immer einen großzügigen Zeitpuffer einplant. Am liebsten wäre sie schon gestern Abend losgefahren und hätte auf dem Parkplatz ein Zelt aufgeschlagen, damit wir auf keinen Fall zu spät kommen.
    Ich renne über den Rasen auf ein offenes Flurfenster zu. Der Weg durch die Eingangshalle des Altenheims ist viel zu gefährlich, weil dort Krokodile auf leichte Beute warten. Natürlich keine echten Krokodile, aber die greisen Witwen, die dort in ihren Sesseln vor sich hin dämmern, sehen mit ihren Falten nicht nur aus wie Reptilien, sondern verwenden genau die gleiche Jagdmethode. Scheintot hocken sie da, doch sobald sich ein junger Besucher leichtsinnig nähert, stürzen sie sich auf ihre Beute und knutschen sich fest, bis ein Wärter den Unglücklichen nach Stunden aus den knorrigen Armen befreit. Habe ich alles schon erlebt. Das brauche ich nicht noch einmal.
    Also lieber über den Rasen und durchs Fenster, wie immer. Durch meine Besuche hat sich auf der Wiese schon ein richtiger Trampelpfad gebildet.
    Ich steige durch das Fenster und klopfe an der Tür von Adolf Schmitz. Sein Zimmer hat die Nummer 0815, und es dauert nicht lange, bis er öffnet.

    »Hallo, Jungchen, schön, dich zu sehen«, begrüßt Adolf Schmitz mich.
    Er ist früher zur See gefahren, am ganzen Körper tätowiert und hat ebenfalls einen unsichtbaren Begleiter. Der heißt SUPERWILHELM, und COOLMAN kann ihn nicht besonders gut leiden.

    Adolf Schmitz ist der Einzige, der nachempfinden kann, was ich mit COOLMAN durchmache. Er wird mir fehlen, wenn ich in England bin. Also, Adolf Schmitz natürlich, nicht COOLMAN.
    »Ich wollte mich nur schnell verabschieden. Ich fahre zwei Wochen nach London«, erkläre ich Adolf Schmitz.
    »Oh, das trifft sich ja prima, Jungchen«, erwidert er. »Da kannst du einen Brief für mich abgeben. Warte einen Moment.
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