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Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)

Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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erst nach dem Dreh. Lena ist stinksauer, weil sie nur das hilflose Mäuschen spielen darf, das die ganze Zeit kreischen und ihren heldenhaften Freund bewundern soll.
    Sie hat recht, das passt wirklich nicht zu ihr. Aber da hätte sie einfach das Drehbuch vorher lesen müssen. So wie ich. Ich bin mit meiner Rolle ganz zufrieden. Zugegeben: Anfangs war ich skeptisch, aber mittlerweile finde ich, dass mir die Rolle des geheimnisvollen Agenten wie auf den Leib geschrieben ist.

    Wer könnte das besser spielen als ich?
    Der richtige Ärger beginnt aber erst, als mein Vater von den Proben im Theater nach Hause kommt.
    »Für wahre Kunst muss man auch Opfer bringen«, versucht Jonny Pony die Verwüstung in unserem Wohnzimmer zu rechtfertigen.
    »Für Kunst schon«, erwidert mein Vater trocken und starrt entgeistert die eingerissene Küchenwand, das zerbrochene Fenster, den leeren Kühlschrank und die Blutflecken auf unserem Teppich an.
    Es beruhigt ihn überhaupt nicht, als Jonny Pony ihm erklärt, dass das kein echtes Blut, sondern Himbeermarmelade ist, die da bei uns auf dem Teppich klebt.
    »Raus! Alle raus! Aber ein bisschen dalli!«, brüllt mein Vater, und es ist ziemlich klug von Jonny Pony, dass er sich das nicht zweimal sagen lässt.
    Den Rest des Films drehen wir in einem alten Gebäude am Stadtrand. Die Produzentin Hella van Achtern hat es angemietet und draußen ein Messingschild anbringen lassen. Darauf steht: DREAMLAND STUDIOS. Dabei ist das gar kein richtiges Studio, sondern nur eine leer stehende Milchfabrik, in der für den Film auf die Schnelle ein paar Kulissen aufgebaut worden sind. Habe ich euch schon erzählt, dass Dreharbeiten für Schauspieler fürchterlich öde sind?
    Die Top fünf der langweiligsten Tätigkeiten in aufsteigender Reihenfolge:
    1) Auf den Bus warten
    2) Fernsehen am Samstagabend
    3) Kristalle beim Wachsen beobachten
    4) Matheunterricht
    5) Bei einem Film mitspielen
    Zwischen Platz vier und fünf klafft ein Riesenabstand, größer und tiefer als der Grand Canyon.
    Dreharbeiten sind das Allerallerlangweiligste, was man sich überhaupt vorstellen kann.
    Den ganzen Tag passiert überhaupt nichts!
    Weniger als nichts!
    Gar nichts!

    Von wegen super! Es ist stinklangweilig. So langweilig, dass ich eine tiefe, mir bisher unbekannte Sehnsucht nach Dezimalzahlen und Bruchrechnung verspüre.
    Die meiste Zeit wird beim Film nur vorbereitet, geschminkt, umgebaut, eingerichtet, präpariert, gepudert oder ausgeleuchtet. Dazwischen springt Jonny Pony herum wie Rumpelstilzchen und brüllt seine Leute an. Das sieht zwar anfangs ganz lustig aus, verliert aber leider schnell seinen Reiz, weil Jonny Pony in der Auswahl seiner Schimpfwörter nicht besonders einfallsreich ist.
    Wenn wenigstens Lena in den Pausen mit mir reden würde!
    Aber das tut sie weiterhin nur vor der Kamera. In der restlichen Zeit schweigt sie beleidigt, und in ihrem Blick kann ich lesen, dass es ihr leidtut, nicht meine tödlichen Gedankenkräfte zu besitzen.
    Das liegt vielleicht aber auch nur daran, dass heute der erste Drehtag ist, an dem wir zwei uns vor der Kamera küssen sollen. Auf den Mund!
    Eigentlich ein Kinderspiel: Sie sagt ihren Text auf, ich sage meinen, und am Ende der Szene küssen wir uns. Fertig!
    Trotzdem bin ich nervös, obwohl ich mir seit heute Morgen schon zehnmal die Zähne geputzt habe. Mindestens!
    Lena ist auch nervös, das sehe ich. Sie sitzt neben mir in der Garderobe und kritzelt mit einem Kuli hässliche Strichmännchen auf ihr Drehbuch, die sie mit kräftigen Strichen immer wieder übermalt. Wenn ich mich nicht täusche, ist da eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Männchen und mir.
    Aber sicher bin ich mir nicht.
    Ich bin heilfroh, als wir endlich zum Dreh gerufen werden. Es ist ein sogenannter Außendreh, das heißt, wir drehen nicht im Schutz des Studios, sondern draußen, wo jeder zusehen kann. Es haben sich mindestens ein Dutzend Neugierige versammelt und das macht die Sache nicht einfacher.
    »RUHE! WIR DREHEN!«, brüllt Jonny Pony, und dann geht es auch schon los.
    »Das war ein wunderbarer Nachmittag«, sagt Lena, weil es so im Drehbuch steht.
    Ich soll jetzt sagen ...
    Verdammt!
    Ich habe vergessen, was ich jetzt sagen soll. Vielleicht hätte ich mir doch lieber meinen Text noch mal anschauen sollen, anstatt mir zum elften Mal die Zähne zu putzen.

    »Dafür wirst du büßen!«, wiederhole ich, weil ich nicht so wahnsinnig viele Alternativen habe. Als ich es ausspreche, merke ich, dass
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