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Cool

Cool

Titel: Cool
Autoren: Ken Follett
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Textabschnitts.]
    Albert Spaggiaris Vater stirbt, als der Bub zweieinhalb Jahre alt ist. Für ein Kind versinnbildlicht der Vater beides - sowohl Disziplin, als auch Liebe. Durch diese scheinbar gegensätzlichen Wesensarten lernt das Kind die sogenannte gütige Autorität kennen. Der Vater wird für das Kind ein Vorbild, mit dem es sich identifiziert, dem es folgen will. Natürlich trägt nicht jedes Kind ohne Vater einen bleibenden seelischen Schaden davon. Ein Onkel, ein Freund der Familie oder auch der Stiefvater können an die Stelle des Verstorbenen treten - und akzeptiert werden.
    Doch aus irgendeinem Grund lehnt Albert seinen Stiefvater ab. Die Vaterfigur besteht für ihn aus Autorität ohne Liebe. Und das mag der Grund sein für seine Ruhelosigkeit, für die mangelnde Disziplin, den Drang nach Abenteuern und seine Besessenheit.
    Sein Interesse an Waffen, an der SS und der politischen Militanz können somit auch das Ergebnis lieblos-autoritärer Erziehung sein. Seine Vorliebe für Abenteuer-Romane, seine Verehrung für den Banditen Salvatore Giuliano, seine Hitler-Bilder können die verzweifelte Suche nach einer Vaterfigur sein.
    Die Ruhelosigkeit, das ständige Auf und Ab in seinem Leben, sein Reisen, die Berufswechsel, die mangelnde Seßhaftigkeit - all das kann ein verzweifeltes Nachahmen der ersehnten Vaterfigur sein.
    Aber der wichtigste Punkt sind die Rebellion, die Kriminalität, in die er hineinwächst: Sie sind Zeichen der Ablehnung jeglicher Autorität, die er immer gehaßt hat. Albert Spaggiari will sein Leben lang beweisen, daß er besser ist als sein Stiefvater.
     
    II.
     
    SPAGGIARI ENTWICKELT SEINEN PLAN
     
    Non, je ne regrette rien!
    Edith Piaf und Albert Spaggiari
     
    Nizza wurde 350 vor Christus von einem griechischen Seefahrerstamm gegründet. Es bleibt ein Fischerdorf bis zum 19. Jahrhundert, als betuchte Engländer die französische Riviera entdeckten. Im Jahre 1822 baute die englische Urlauberkolonie eine vier Kilometer lange Uferpromenade, die zum Aushängeschild der Stadt wurde. Sie heißt seitdem und bis heute Promenade des Anglais. Nizza ist die führende Stadt der Côte d’Azur. Sie liegt genau in der Mitte der Baie des Anges, der Engelsbucht, dreißig Kilometer von der italienischen Grenze entfernt. Sie ist umrahmt von niedrigen Bergen im Norden, und es regnet im Durchschnitt nur sechzigmal im Jahr. Nizza hat einen Airport, eine Universität und mehrere Kunstmuseen. Die Einwohnerzahl liegt ungefähr bei vierhunderttausend. Der Paillonfluß teilt das östliche Nizza mit dem Hafen, dem Geschäftsviertel und den verwunschenen kleinen Straßen der Altstadt von dem westlichen Teil mit den vielen Neubauten und dem Flughafen.
    Es ist in erster Linie eine Pensionärs- und Rentnerstadt. Und gerade diese Kundschaft interessiert natürlich eine Bank wie die >Societé Générale<. Sie ist eine der größten Banken von Frankreich, und ihre Hauptfiliale in Nizza ist etwas nach dem Geschmack älterer Leute. Die imposante, weiße Steinfassade umfaßt einen ganzen Häuserblock und schließt sich in ihrer Architektur dem italienischen Stil des Palais de Justice, des Gerichtsgebäudes, an. Die Schalterhalle der Bank hat eine hohe Decke, die von Marmorsäulen getragen wird. Die Bogenfenster sind von schmiedeeisernen Gittern geschützt und unterscheiden sich deutlich von den großzügigen Glasfassaden moderner Banken. Nach dem Bankraub des Jahrhunderts hat die Direktion natürlich etwas für ihr Image getan; die Halle moderner gestaltet, Großraumbüros geschaffen, mit neuzeitlicher Dekoration in Aluminium und Glas, in den Farben orange und weiß.
    Als Albert Spaggiari im September 1974 erstmals seinen Fuß über die Schwelle setzt, atmet die >Societé Générale< noch die Atmosphäre einer traditionellen Anwaltskanzlei aus.
    Das ist besonders im Tresorraum zu spüren. Zumeist wird er von begüterten, pensionierten Leuten benutzt, die ihren Reichtum am liebsten in Gold und Schmuck anlegen. Da stehen eine alte Couch und Stahlstühle und Tische aus den Zwanziger Jahren, einige enorme Scheren sind mit Kettchen an den Tischen festgemacht. Sie dienen zum Abschneiden der Aktien- und Anleihen-Coupons. Der Fußboden ist mit braunem Linoleum ausgelegt, und die Räume mit den Schließfächern machen den gleichen veralteten Eindruck wie die Fassade der Bank.
    In dem Tresorraum stehen sieben Panzerschränke mit insgesamt viertausend Schließfächern. Es gibt sie in zwei Größen: Dreißig Zentimeter breit,
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