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Cool

Cool

Titel: Cool
Autoren: Ken Follett
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darüber immer nur vage Andeutungen. »Wir sollten etwas für unsere tschechischen Freunde tun«, sagt er. »Wir sollten den Patrioten in der CSSR helfen.«
    Als Fotograf beweist er sein Talent. Er geht nach Nordafrika, lebt einige Zeit unter Nomaden in der Sahara und fotografiert ihr hartes Leben.
    Über seine Tätigkeit als Fotograf bekommt er schließlich auch Zugang zur gehobenen Gesellschaft von Nizza. Er erreicht den offiziellen Status eines >Hoffotografen< der Stadtverwaltung. Und es ist sicherlich nicht übertrieben, zu sagen, daß Nizza, damals wie heute, von der OAS regiert wird. Spaggiari fühlt sich zum ersten Mal wie zu Hause. Seine Position erlaubt es ihm nun, mit den Reichen an einem Tisch zu sitzen, mit ihnen zu tafeln, mit ihnen zu bechern. Er beginnt, aufwendig zu leben, seine Trinkgelder werden bald zur Legende.
    1972 kauft er sich einen verfallenen Bauernhof im Wald von Bézaudun, nicht weit von Nizza entfernt. Das Anwesen ist nicht teuer, und mit Hilfe eines einheimischen Bauunternehmers renoviert er das Gebäude. Die Fenster werden neu eingesetzt, Balkone angebaut, das Dach wird gedeckt und eine moderne Heizung installiert. Er verwendet durchweg Naturstein, Holz und braunrote Ziegel, damit das Haus perfekt ins Landschaftsbild paßt.
    Die Arbeiten dauern Monate, bis Spaggiari und Audi endlich einziehen können. Beide hängen sehr an ihrem neuen Heim. Die Wände dekorieren sie mit Waffen, die Albert allerdings nie benutzt. Er bringt es nicht einmal übers Herz, die Kaninchen zu töten, die im Garten die Gemüsebeete ruinieren. Und wenn Audi ein Hühnchen schlachten will, so muß sie es zum nächsten Metzger bringen. An der Wand im Wohnzimmer hängt ein überdimensionales Hitler-Portrait, daneben ein SS-Emblem. Wenn er nach Hause kommt und seinen Landrover neben der hundert Jahre alten Eiche parkt, kommen seine beiden Dobermänner, Packa und Vesta, freudig auf ihn zugerannt, springen an dem Wagen hoch und lecken ihm schwanzwedelnd die Hände.
    Abends sitzt er am knisternden Kaminfeuer und liest - oft bis spät in die Nacht hinein. In den Regalen steht eine umfassende Palette an Büchern: Balzac, Zola, Flaubert und natürlich Nietzsche.
    Genau die Idylle, von der Spaggiari immer geträumt hat. Schließlich vermietet er den Fotoladen an seinen Geschäftsführer und bleibt ganz in Bézaudun.
    Dort eröffnet seine Frau eine neue Praxis, und er widmet sich fortan der Hühnerzucht.
    Wieder sieht alles ganz so aus, als wolle er mit sich und der Welt Frieden schließen. Allein, der Schein trügt.
    Ein Bekannter von ihm, der 28jährige Gerard Rang, wird 1974 von der Polizei überwacht. Der stämmige, blonde Rang besitzt die berüchtigte Diskothek >Chi-Chi-Club< in Haut de Cagnes, in der auf der Bühne auch Gruppensex dargeboten wird.
    Er ist verdächtigt, gefälschte Scheckbücher in Umlauf gebracht zu haben. Eines hat die Polizei im Gulli des Sex-Clubs von Monsieur Rang gefunden. Der Polizei fällt ein, daß Spaggiari einer der rechtsextremistischen Freunde Rangs ist, und in seinem Fotolabor ohne weiteres Scheckbücher im Lichtdruckverfahren herstellen kann. Doch trotz aller Recherchen reichen die Beweise für eine Anklage nicht aus. Im gleichen Jahr mietet sich Spaggiari ein Schließfach in der >Societé Générale< in der Avenue Jean-Médecin. Ruhelos, undiszipliniert, abenteuerhungrig und besessen - wie kann ein Mensch nur so werden? Einer seiner besten Freunde meint dazu: »Er wäre vielleicht anders geworden, wenn er Vater geworden wäre. Das hätte ihn reifer und ruhiger gemacht.« Aber es kommt nicht dazu.
    Audi kann keine Kinder bekommen. Beide bemühen sich um ein Adoptivkind, aber als Mitglied einer illegalen Organisation wollen die Behörden keines einem Albert Spaggiari anvertrauen. Außerdem sind da noch die Haftstrafen. Die allein machen eine Adoption bereits unmöglich. Er will ein Kind, das ist ganz sicher.
    »Ich habe alles versucht. Doch als Mitglied der OAS - unmöglich!« sagt er und zuckt resignierend mit den Achseln. Doch der Schlüssel zu Spaggiaris Schicksal liegt tiefer in der Vergangenheit.
    Nur Laien glauben, daß Babys Tragödien oder schicksalhafte Ereignisse entweder überhaupt nicht wahrnehmen oder sehr schnell vergessen. Das Gegenteil ist der Fall. Ein Trauma in den ersten Lebensjahren formt den Charakter eines Menschen für immer. [*Die Autoren beziehen sich dabei auf José von Buehler und bedanken sich gleichzeitig damit für seine Hilfe bei der Abfassung dieses
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