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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus
Autoren: Johanna und Günter Braun
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Kabine war. Ich hatte ein dringendes Bedürfnis, in die kleine Kutz hineinzukriechen, ein Schutzbedürfnis, aber es gelang nicht mehr.
      Sie hörte nicht auf, mich zu streicheln, sie lächelte. Wird schon wieder.
      Das machte mich noch trauriger. Es wird nicht mehr, dachte ich, es ist vorbei, es war ein Nochmalaufleben, schon mehr, als ich billigerweise verlangen konnte, fast übernatürlich.
      Kutz ist vierzig oder sogar fünfzig Jahre jünger als ich. Wie sagte sie?
      Ich bin durch dich jünger geworden, Phil. Wir hatten uns beide gegenseitig verjüngt.
      Sie zog ihr Gesicht von mir zurück, wahrscheinlich, damit ich ihr optimistisches Lächeln sehen sollte, aber es war nicht mehr das Gesicht der kleinen Kutz. Das Lächeln war ältlich, knittrig. Frau Friederike Kutzenbacher wirkte uralt.
      Wie mußte erst ich aussehen, wenn sie schon aussah, als wäre sie von einer Stunde auf die andere einem Schnelldörrverfahren unterworfen gewesen, ihre Gesichtszüge sackten kraftlos nach unten.
      Wir setzten uns stumm an unser Frühstück, und ich vermied es, die ehemalige Kutz anzusehen.
      Ich zerschnitt wie nun seit vielen Wochen die große grüne Muschel. Sie ließ sich schneiden, als wäre sie aus einer Masse schnittfest gebacken, ich preßte Saft heraus, der wie üblich zuviel für unsere Becher war und den Tisch bespritzte.
      Und wie üblich betupfte Friederike Gesicht und ihre kleinen Brüste mit Muschelsaft. Wie üblich sagte sie, alles echt bio, so würde man es nie von der Industrie bekommen.
      Ich sah zum Bulleye, aber das Morgenbild war verschwunden. Da war überhaupt kein Bild mehr, keine Doktor-Droll-Insel, kein Greifer, das Fenster war grün verhängt. Daher also das grüne Licht, das Gefühl, nicht mehr wie sonst aufgetaucht zu sein, das grüne Laken, Friederikes grünlicher Mund.
      Plötzlich kam Nickelsen ächzend herein. Er ließ eine kürbisgroße Muschel auf den Fußboden fallen. Das ist jetzt ihr neuestes Format. Mit Kleinigkeiten geben wir uns nicht mehr ab.
      Ich wartete darauf, daß er wie üblich einen Witz an Friederike richtete, einen abgeleierten Klabautermannwitz etwa, über den ich mich jedesmal ärgerte.
      Nickelsen war ein bißchen scharf auf die Kutzenbacher, er hatte es kaum unterdrücken können. Na, ist heute nacht der Klabautermann wieder gekommen, war er fleißig, ich würde ihn sonst mal ablösen.
      Jetzt sah Nickelsen Friederike nicht einmal an. Er begann an dem Unding herumzusäbeln. Heute habe ich sie noch durch die Tür gekriegt. Aber wie wird es nächste Woche aussehen?
      Der Saft stürzte aus der Unmuschel, eine gewaltige grüne Pfütze streckte ihre Zungen nach allen Richtungen aus.
      Nickelsen ließ das Messer fallen, er versuchte nicht einmal, den Saft aufzuwischen, er rutschte in die Pfütze und blieb darin sitzen.
      Auch er kam mir gealtert vor. Sein Haar war nicht mehr kurzgeschoren, es schien überhaupt nicht mehr vorhanden, der nackte Schädel schillerte grünlich. Wo blieb sein allmorgendlicher Klabautermannwitz?
      Wir sind alle heruntergekommen, sagte plötzlich die Kutzenbacher, wir können nicht mehr, bei uns spielt sich nichts mehr ab. Dabei futtern wir Supermuscheln, daß sie uns schon aus Nasen und Ohren quellen.
      Vermutlich war auch mein geistiger Leistungsstand nicht mehr der von vor einigen Wochen. Trotzdem begann mir zu dämmern, unsere Schwächen könnten vom Genuß der neuen Supermuschel herrühren. Wir sollten sie analysieren, sagte ich, sie kommt mir vor wie ein aufgeblasener Frosch, der zwar groß wie ein Ochse wird, aber in dem nichts als Luft steckt. Aber sie war ja von sämtlichen Instituten der Welt analysiert worden. Und bevor sie sie heraufbeförderten, analysierten die Mittelzwercke sie. Alle Ergebnisse besagten, sie enthalte sämtliche Vitamine, Enzyme und Spurenelemente, die Konsistenz sei dichter, sie enthalte weniger unnötige Stoffe, sei weniger wäßrig, was den Saft wertvoller mache.
      Sie ist die alte Muschel nicht mehr, sagte ich, da fehlt was, sie ist hochgepumpt, sie wird in sich zusammenfallen.
      Vorläufig wächst sie noch, sagt Nickelsen.
      Es ist die Muschel nicht mehr, es ist nicht mehr mein Grünes Medaillon, sagte ich, es ist ausgelaugt, degeneriert.
      Aber sie wächst wie verrückt.
      Sie degeneriert ins Gigantische, sagte ich. Nach dieser geistigen Anstrengung legte ich mich auf das grünliche Laken und schlief sofort ein.
      Friederike weckte mich.
      Wir
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