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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus
Autoren: Johanna und Günter Braun
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hatte ich gemächlich hinter mich gebracht.
      Ab und zu hatte ich die weißen Rollos meiner Fensterwand geöffnet und auf das Meer geblickt, wo sich die dunklen Streifen des Meeresgartens abzeichneten, mal dunkelgrün, mal heller grün, manchmal auch dunkelgrau und manchmal, bei bewegtem Wasser, überhaupt nicht. Daß ich sie trotzdem sah, lag daran, daß ich eben seit beinah sechzig Jahren wußte, dort ist der Garten mit seinen Reihen aus Beton.
      Im Grunde sah ich die Einzelheiten, und ich sah sie nicht. Die Farben des Bildes wechselten, und es blieb immer das gleiche Bild. Und auch das Bild der Ernte, wenn Taucher der Niederlassung der Gesellschaft zur Verwertung der Meeresfrüchte mit ihren Pflückmaschinen in den Garten stiegen, fügte sich in das Dauerbild, wie Schnee und Eis und Regen und wie die Feinschmecker, die barfuß und manchmal auch auf Strandfahrrädern dem Unterwasserlokal zustrebten, wo es die Grünen Medaillons in grünen Schalen mit teuren Soßen übergossen gab, – und wie die Liebespaare, die sich mit Muschelsaft zu kräftigen gedachten, die grünen Flaschen noch im Gehen leerten und im weißen Sand zurückließen.
      Dies alles war für mich zu einem einzigen Bild geronnen, und ich saß da, die eine Hand auf dem Papier, denn Wind durchzog mein Haus, die andere hielt ein Glas und manchmal auch den Tintenfließer. Ich hetzte mich nicht ab, so nahe fühlte ich den Tod noch nicht.
      Die grüne Muschel, von der Reklame natürlich etwas aufgeheiligt, besonders was Enzyme und Spurenelemente und unter diesen besonders die noch unerforschten, nichtsdestoweniger aber äußerst wirksamen betraf, die uns befähigen sollten, die Widrigkeiten, falls solche im dritten Jahrtausend noch zu erwarten wären, zu bestehen, die grüne Muschel konnte tatsächlich auch alte Männer in annehmbarer Form erhalten.
      Immerhin brauchte ich noch keine Brille. Ich mußte auch nicht dauernd auf die Toilette. Ich hörte, besonders wenn man leise sprach, sehr gut, hatte noch Haare auf dem Kopf, die allerdings weiß waren, und noch ein Dutzend eigener Zähne. Ich konnte schlafen, kurz und tief, und mein Gedächtnis war intakt, wenn es auch neuerdings Komplexe zusammenfaßte und Einzelheiten überging, die sich jedoch zumeist als unwichtig erwiesen. Ich hatte also keinen Grund, bei meiner Niederschrift in Panik zu verfallen, doch schleppte ich sie auch nicht hin, denn ich war neugierig, was wohl die Leute dazu sagen würden.
      Sie würden wohl zuerst betroffen sein, denn so ein merkwürdiges Ding wie der conviva ludibundus war noch in keiner Enzyklopädie enthalten. Nach allgemeiner Ansicht gab es das noch nicht. Niemand schien auch nur daraufgekommen zu sein, es könnte derartiges geben, es seien denn die Schreiber utopischer Romane, die nicht mehr ernst genommen wurden, seitdem die grüne Muschel bessere Einschlafmöglichkeiten bot.
      Und würden es die Leute überhaupt begreifen können, was ihr berühmter Greis Philemon bereits vor fünfundvierzig Jahren gefunden hatte: ein bio-elektronisches System, das durch die Meere schweifte, das fraß und ausschied und transportierte und ohne das die Züchtung der edlen Muschel nicht stattgefunden hätte? Dies ihnen klarzumachen erschien mir eigentlich das Schwierigste bei meiner Hinterlassenschaft.
      Ich zog die weißen Rollos vom Fenster, sah auf mein Dauerbild (das Meer lag blau und fast erstarrt, am Himmel keine Wolke) und zweifelte. Würden sie mit conviva ludibundus etwas anzufangen wissen? Würden sie neue Möglichkeiten in ihm sehen? Nicht nur die eine, die ich gefunden hatte? Würden sie mit conviva ludibundus spielen können? Würden sie es wollen? Würden sie ein Gefühl dafür besitzen?
      Zu meinem Dauerbild, das hatte ich vorhin vergessen, gehörten selbstverständlich Wissenschaftler und Studenten, die delegationsförmig und auch einzeln von Zeit zu Zeit den Meeresgarten heimsuchten. Sie fuhren mit kleinen Schlauchbooten umher, tauchten Meßröhrchen ein oder tauchten selbst. Später hockten sie im weißen Sand, tippten auf Taschenrechnern und sprachen auf Recorder. Sie fügten sich friedlich in mein Bild. Sie störten mich sowenig wie die anderen Erscheinungen. Allerdings ging ich zu den Zeiten, um die der weiße Sand und das Gebiet des Meeresgartens sowie der Weg zum Unterwasserrestaurant bevölkert waren, selten zum Strand, ja, ich vermied es möglichst.
      Wenn ich mich selbst ins Bild begab, war es entweder abends kurz vor Sonnenuntergang
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