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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus
Autoren: Johanna und Günter Braun
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dem Gefühl ausliefern, er stoße mich von meinem Platz.
      Er war mein Nachfolger. Und wenn er etwas von mir wissen wollte, würde ich es ihm erklären und erläutern, so gut ich konnte. Und wenn er nichts zu wissen wünschte, würde ich schweigen. Man kann doch seinem Nachfolger nicht ständig mit dem Töpfchen hinterherlaufen. Mittelzwerck sollte wissen, daß ich nicht verbittert war.
      Womöglich blieb er aus einem blöden Feingefühl so lange beim Meeresgarten. Ich schickte meine Haushaltsdame hin.
      Nichts, sagte sie, die machen bis zum Abend durch.
      Dann lade sie zum Abendessen ein, sagte ich etwas ärgerlich, da müssen sie erscheinen; sag ihnen, es wird vielleicht ein ungewöhnlicher Abend.
      Die hören nicht, die haben einen Rappel. Die triefen schon vor Nässe, aber sie hören nicht.
      Die werden doch nicht nachts noch stochern wollen.
      Immerhin sagte Mittelzwerck sich für den Abend an. Es sei ihm eine Ehre.
      Tatsächlich wollte ich, daß dieser Abend ein ungewohnter, ausgefallener, besonderer Abend werden sollte. Zwar wollte ich Mittelzwerck nicht feierlich mein Amt bei der Gesellschaft zur Verwertung und Entwicklung der Meeresfrüchte und meinen Professorenkram in die Hände legen. Dies war für mich ein aktenmäßiger Vorgang, keiner Rede wert. Ich hatte vielmehr vor, dem jungen Mann (der immer als hoffnungsvoller junger Mann bezeichnet wurde, wobei nicht klar herauskam, wer eigentlich da hoffte, die Gesellschaft oder Mittelzwerck) – ich hatte vor, ihn in die Sache conviva ludibundus einzuweihen. Er sollte der erste Mensch sein, dem ich die bio-elektronischen Systeme vorstellen und erläutern wollte, die durch die Meere schweiften und Gäste meines Gartens waren.
      Es schien mir logisch, daß er als erster wissen müßte, wie eigentlich der Meeresgarten zu seinen Muschelernten kam, woher die Medaillons rührten und wie die bio-elektronischen Systeme entstanden waren. Ich hatte nicht die Absicht, ihm aus meinem Aufgeschriebenen vorzulesen, ich wollte ihn nur mit den Ludibundi konfrontieren, vorerst einige Mikroelektronenfotos an die Wand werfen, die undeutlich, doch bei einiger Phantasie erkennbar, verschiedene Zustände des bio-elektronischen Systems darstellten. Verschiedene Spiele des Systems, wie ich es nannte.
      Diese Vorführung, erste Bekanntschaft mit dem conviva ludibundus, wollte ich zwar nicht feierlich, aber genießerisch gestalten. Ich war tat sächlich davon überzeugt, daß meine Eröffnung betreffs der Ludibundi ein geistiger Genuß ungewöhnlicher Art sein würde, etwa wie die Eröffnung, daß sich die Erde um die Sonne dreht.
      Um diesen Genuß zu unterstreichen, wollte ich Grüne Medaillons anbieten, zusammen mit weißem Algenwein und heißen, knusprigen, goldgetönten sogenannten Schrippen, einem vergessenen Gebäck, das meine Haushaltsdame in einem von mir gebauten Steinofen nach langen Meckereien meinerseits endlich zu backen lernte. Die Grünen Medaillons sollten kühl auf den Tisch kommen, aber nicht eisgekühlt. Sie sollten nicht auf Eisbrocken liegen, sondern auf Meerkohlblättern. Soßen sollten nicht über sie gegossen werden. Das hielt ich für Geschmackstötung. Leider konnte ich es nicht verhindern, daß in dem Meeresrestaurant mehr und mehr Soßen auf die Muschel geplempert wurden. Die Soßen wirkten preisbildend. So geschah es, daß jemand, der sich erfrechte, Grüne Medaillons pur zu verlangen, den doppelten Preis zahlen mußte.
      Nun, diese teuren unbegossenen Muscheln wollte ich Mittelzwerck und seinem Assistenten vorsetzen. Und um den Tisch wollte ich Spiegellichter stellen, von denen die grüne Muschelfarbe vielfach zurückgeworfen werden sollte.
      Grünes Licht würde das Zimmer füllen. Wir würden sitzen wie in einer Unterwasserhöhle.
      Plötzlich käme das bio-elektronische System herangeschweift. Ich wollte natürlich keine Zaubermätzchen machen, um diese jungen Männer von meinem conviva ludibundus zu überzeugen. Das war nicht nötig, conviva ludibundus war real.
      Aber es sollte nicht so trocken zugehen, wie es mir in der letzten Zeit immer mehr zuzugehen schien. Da wurde planmäßig andauernd etwas zur Entwicklung vorgeschlagen, dann wurde kontrolliert, ob es auch wirklich entwickelt worden war oder zumindest alle sich bemüht hatten, es zu entwickeln, danach wurde es abgehakt, die Prämie kam, eventuell der Orden, musikumrahmt, der Blumenstrauß aus Plast – und fertig. Aber hier handelte es sich um den
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