Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Titel: Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
bisschen besser, danke. Und dir?«
    »Nicht schlecht, danke.«
    »Wie ist das Wetter bei dir?«
    »Gut. Und bei dir?«
    »Wechselhaft.«
    Wie konnte es denn sein, dass man nach Jahren des gemeinsamen Lebens nur noch wie zwei Fremde miteinander sprach? War es dann nicht besser, sich gegenseitig Schimpfwörter, die übelsten Beleidigungen an den Kopf zu werfen? Und sich zu schubsen oder zu prügeln? Montalbano empfand eine blinde Wut gegenüber der Situation, in die er und Livia geraten waren. Ob es seine Schuld war oder die von Livia, hatte schon längst keine Bedeutung mehr, wichtig war jetzt, endlich einmal ausgiebig miteinander zu sprechen, sich dabei in die Augen zu sehen, alles zu klären und auf die eine oder andere Weise aus diesem Treibsand herauszukommen, in dem sie langsam versanken. »Siehst du das immer noch so?«
    »Was?«
    »Dass du herkommen möchtest, wenn…«
    »Klar.«
    »Dann sage ich dir jetzt, dass es mir gelungen ist, drei oder vier Tage freizumachen.«
    »Gut.«
    Das war's? Kein Oh-wie-schön, Oh-wie-ich-mich-freue? Was für eine überschäumende Begeisterung! Hatte er denn nicht Wort gehalten? Ich rufe dich an, sobald ich ein paar Tage frei habe - das hatte er ihr doch versprochen. Er war eigens nach Marinella gerast, um ihr diese Nachricht zu überbringen, und das war der Dank? »Also, wann immer du willst…«
    »Von mir aus gleich morgen früh«, antwortete sie prompt. Was ja wohl bedeutete, dass sie den Koffer bereits gepackt hatte und so lange wie möglich zu Hause ausgeharrt hatte, weil sie auf diesen Anruf gewartet hatte. Und es bedeutete auch, dass es sich nicht um mangelnden Enthusiasmus handelte, wie er gedacht hatte, sondern dass Livia sorgfältig jedes Wort abwog, das sie sagte, aus Angst, es könnte irgendwie verraten, wie aufgewühlt sie war. »Wunderbar. Ich hole dich in Punta Raisi ab.«
    »Lass mal lieber.«
    »Aber warum denn?«
    »Nachher kommt dir vielleicht doch irgendwas dazwischen. Und ich würde es einfach nicht ertragen, sinnlos herumzusitzen und auf dich zu warten. Ich nehme lieber den Bus, zu meiner eigenen Beruhigung.«
    »Livia, aber wenn ich dir doch sage, dass ich so frei bin wie ein Vogel!«
    »Was kann es dir denn schon ausmachen, wenn ich …«
    »Aber wenn ich dir doch sage, dass es keine Probleme gibt! Los, sag schon, um wie viel Uhr, denkst du, kommst du an?«
    »Mit dem üblichen Flug um zwölf Uhr mittags.«
    »Um zwölf Uhr bin ich da.«
    »Hör zu, sei nicht böse, aber…«
    »Aber?«
    »Ich hätte gerne, dass wir nicht in Marinella bleiben.«
    »Du willst diese Tage nicht hier verbringen?«
    »Nein.«
    Er fühlte sich ein bisschen vor den Kopf gestoßen. Was hatte Marinella ihr denn Schlimmes angetan, dass es ihr jetzt nicht mehr recht war?
    »Warum? Ging es dir schon mal schlecht hier?«
    »Das ist es ja gerade.«
    »Versteh ich nicht.«
    »Ich habe mich dort immer so wohl gefühlt. Zu wohl vielleicht.«
    »Ja, und?«
    »Ich denke, dass Marinella meine Entscheidungen beeinflussen würde, am Ende würde ich mich konditioniert fühlen.«
    »Und mich konditioniert das nicht?«
    »Weniger, immerhin ist es ja dein Zuhause.«
    »Verstehe, du willst die Partie auf neutralem Boden austragen.«
    Livias Schweigen machte ihm deutlich, welche Mühe es sie kostete, ihm nicht die Antwort zu geben, die er verdient hatte.
    »Entschuldige, ich habe Blödsinn geredet. Machen wir es doch so: Wenn wir in Punta Raisi sind, entscheiden wir gemeinsam, wo wir hinwollen, und fahren dann gleich los, ohne erst noch hierherzukommen. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Bis morgen.«
    »Bis morgen.«
    Er legte auf, blieb aber noch neben dem Telefon stehen und dachte über Livias Worte nach. Das Haus würde sie konditionieren! Was für einen Mist erzählte sie denn da? Vier Wände konditionieren überhaupt nichts! Das sind Wände wie viele andere auch und basta. Gute oder böse Häuser, die das Glück oder Unglück derer bestimmen, die darin wohnen, gibt es nur in amerikanischen Filmen. Und genau betrachtet, können auch Möbel einen nicht konditionieren. Allerdings nur, wenn man sich auf die Konditionierung nicht einlassen will.
    Einfach ausgedrückt, sofern einer es nicht darauf anlegt, konditioniert zu werden. Dann kann es nämlich jeder beliebige Gegenstand sein, wie zum Beispiel die kleine Statue, die Livia in Fiacca gekauft hatte… Er nahm sie in die Hand.
    Sie war etwa fünfzehn Zentimeter hoch und stellte einen Jungen mit einem fröhlichen Lausbubengesicht dar, der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher