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Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Titel: Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Autoren: Andrea Camilleri
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instinktiv und etwas verschämt zum Telefon, und zwar so, dass seine Genitalien nicht mehr sichtbar waren. Anscheinend gibt die Rückenansicht eines Mannes weniger Anlass zur Scham als die Vorderansicht. Adelina ging unverzüglich in die Küche.
    «Catare, wollen wir wetten, dass ich weiß, weshalb du mich anrufst? Man hat einen Toten gefunden. Hab ich recht?«
    »Ja und nein, Dottori.«
    »Wo habe ich unrecht?«
    »Es handelt sich um eine Tote.«
    »Ist denn Dottor Augello nicht da?«
    »Der ist schon am Tatort, Dottori. Doch grad eben hat Dottori Augello mich angerufen, damit ich Sie anrufe, Dottori, weil ich Ihnen nämlich sagen soll, dass es besser ist, wenn Sie, Dottori, persönlich selbst auch dahin kommen.«
    »Wo hat man sie gefunden?«
    »Im Salsetto, Dottori, ganz nahe bei der amerikanischen Brücke.«
    Der Ort war weit entfernt, an der Straße nach Montelusa. Und er hatte überhaupt keine Lust, sich hinters Steuer zu setzen.
    »Schick mir ein Auto rüber.«
    »Die Autos sind zwar in der Garage, können aber nicht losfahren, Dottori.«
    »Haben sie denn alle gleichzeitig den Geist aufgegeben?«
    »Nicht doch, Dottori, funktionieren tun sie schon. Aber es ist kein Geld mehr da, um sie aufzutanken. Fazio hat Montelusa angerufen, aber da hat man ihm gesagt, er soll sich gedulden, in 'n paar Tagen würde es ankommen, allerdings wenig … Und deshalb können im Moment nur die Streifenwagen fahren und die Begleitfahrzeuge für den Abgeordneten Garruso.«
    »Der heißt Garrufo, Catare.«
    »Soll er doch heißen, wie er heißt. Wichtig ist nur, dass Sie verstehen, wen ich meine, Dottori.« Montalbano fluchte. Die Kommissariate hatten kein Benzin, die Gerichte kein Papier, die Krankenhäuser keine Fieberthermometer, und unterdessen plante die in den letzten Zügen liegende Regierung eine Brücke über die Meerenge von Messina. Aber am Benzin für die sinnlosen Begleitfahrzeuge der Minister, der Vizeminister, der Staatssekretäre, der Fraktionsvorsitzenden, der Senatoren, der Abgeordneten, der Regionalparlamentarier, der Kabinettschefs, der Aktentaschenträger, an diesem Benzin fehlte es nie.
    »Hast du den Ermittlungsrichter, die Spurensicherung und Dottor Pasquano benachrichtigt?«
    » Sissi. Allerdings hat Dottor Guaspano Gift und Galle gespuckt.«
    »Wieso?«
    »Er sagte, da er nicht die Gabe der Bibität besitzt, kann er nicht vor ein bis zwei Stunden zur Stelle sein. Dottori, können Sie mir das erklären?«
    »Was?«
    »Was diese Bibität ist.«
    »Das bedeutet, dass jemand gleichzeitig an zwei verschiedenen und weit auseinanderliegenden Orten sein kann. Sag Augello, dass ich komme.« Er ging ins Bad und zog sich an. »Der Espresso ist fertig«, sagte Adelina. Als er in die Küche kam, sah Adelina ihn an und sagte: »Wissen Sie eigentlich, dass Sie noch ein attraktiver Mann sind?«
    Noch? Was sollte dieses Noch? Seine Laune verdüsterte sich. Doch Montalbano Nummer zwei meldete sich auf der Stelle:
    »Also wirklich! Jetzt reg dich bloß nicht auf! Wo du dich doch vor einer Stunde noch alt und abgewrackt gefühlt hast!«
    Besser war's, das Thema zu wechseln. »Wieso bist du heute so früh gekommen?«
    »Weil ich noch mit dem Bus nach Montelusa muss, um mit Richter Sommatino zu sprechen.« Dem Aufsichtsrichter über das Gefängnis, in dem Pasquale eingebuchtet war, der jüngere Sohn seiner Haushälterin, ein Gewohnheitsverbrecher, den Montalbano selbst zweimal verhaftet hatte und bei dessen Erstgeborenem er Taufpate war.
    »Sieht so aus, als würde der Richter ein gutes Wort für die Umwandlung der Gefängnisstrafe in Hausarrest einlegen.«
    Der Espresso war gut.
    »Gib mir noch eine Tasse, Adeli.«
    Angesichts der Tatsache, dass Dottor Pasquano erst später eintreffen würde, konnte er es ruhig angehen lassen.
    Zur Zeit der Griechen war der Salsetto ein Fluss, danach, zur Zeit der Römer, war er zu einem Sturzbach geworden, bei der Einigung Italiens zu einem Bach, zur Zeit des Faschismus schließlich ein stinkendes Rinnsal und am Ende, als die Demokratie kam, eine wilde Müllkippe. Während der Landung der Alliierten im Jahr 1943 hatten die Amerikaner über das längst ausgetrocknete Flussbett eine Eisenbrücke gebaut, die ein paar Jahre später über Nacht verschwunden war, von Eisendieben in lauter Einzelteile zerlegt. Doch der Name war dem Ort geblieben. Er kam an einen Parkplatz, auf dem bereits fünf Polizeifahrzeuge standen, zwei Privatautos und der Karren, der die Leichen ins Leichenschauhaus
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