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Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Titel: Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
Autoren: Andrea Camilleri
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passiert?« fragte Signora Antonietta beunruhigt. Es gibt keine Sizilianerin, aus welcher Schicht auch immer - ob blaublütig oder bäuerlicher Herkunft -, die, wenn sie die Fünfzig überschritten hat, nicht das Schlimmste erwartet. Welches Schlimmste? Irgendeines, auf jeden Fall das Schlimmste. Signora Antonietta machte da keine Ausnahme:
    »Ist meinem Mann etwas zugestoßen?«
    Als Cosentino und Gattin sahen, daß die Witwe die Sache selbst in die Hand nahm, blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihr beizustehen. Betrübt breiteten sie die Arme aus. Und da sagte Signora Antonietta etwas, das sie eigentlich nicht hätte sagen sollen. »Ist er ermordet worden?«
    Das Ehepaar Cosentino breitete erneut die Arme aus. Die Witwe wankte, hielt sich aber auf den Beinen. Die Zuschauer wohnten also nur einer enttäuschenden Szene bei: Signora Lapecora unterhielt sich ganz ruhig mit Signore und Signora Cosentino. Sie erzählte in allen Einzelheiten von der Operation, der sich ihre Schwester in Fiacca hatte unterziehen müssen.
    Als der Polizeibeamte Gallo, der von alledem keine Ahnung hatte, um neunzehn Uhr fünfunddreißig hörte, wie der Fahrstuhl in seinem Stockwerk hielt, erhob er sich von der Stufe, auf der er sich niedergelassen und rekapituliert hatte, was er der armen Frau würde sagen müssen, und trat einen Schritt vor. Die Tür des Fahrstuhls wurde geöffnet, ein Signore kam heraus.
    »Cosentino, Giuseppe, vereidigter Nachtwächter. Signora Lapecora muß noch warten, und da habe ich sie zu mir hereingebeten. Benachrichtigen Sie den Commissario. Ich wohne im sechsten Stock.«
    In der Wohnung der Lapecoras herrschte vorbildliche Ordnung. Ess-Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Küche, Bad: alles, wie es sich gehörte. Auf dem Tisch im Arbeitszimmer lag das Portemonnaie des Verstorbenen mit allen Papieren und hunderttausend Lire. Aurelio Lapecora, dachte Montalbano, hatte sich also angezogen, um das Haus zu verlassen und an einen Ort zu gehen, an dem er weder Papiere noch Geld brauchte. Montalbano setzte sich auf den Stuhl hinter dem Tisch und öffnete nacheinander alle Schubladen. Oben links lagen Stempel, alte Briefumschläge mit der Aufschrift FIRMA LAPECORA, A URELIO - IMPORT- EXPORT, Bleistifte, Kugelschreiber, Radiergummis, nicht mehr gültige Briefmarken und zwei Schlüsselbunde. Die Witwe erklärte, es seien Zweitschlüssel für die Wohnung und das Büro. In der Schublade darunter nur mit einem Bindfaden zusammengehaltene vergilbte Briefe. Die Schublade oben rechts hielt eine Überraschung bereit: eine neue Beretta mit zwei Reservemagazinen und fünf Schachteln Munition. Signor Lapecora hätte, wenn ihm danach gewesen wäre, ein Blutbad anrichten können. Die Schublade darunter enthielt Glühbirnen, Rasierklingen, Bindfadenrollen und Gummibänder.
    Der Commissario bat Galluzzo, der Gallos Posten übernommen hatte, die Waffe und die Munition ins Büro zu bringen.
    »Und überprüf mal, ob die Pistole angemeldet ist.« Im Arbeitszimmer hielt sich hartnäckig ein Geruch, der die Farbe von verbranntem Stroh hatte, obwohl der Commissario, gleich als er hereingekommen war, das Fenster aufgerissen hatte.
    Die Witwe hatte sich im Wohnzimmer in einen Sessel gesetzt. Sie schien völlig unbeteiligt, als säße sie im Wartesaal eines Bahnhofs und wartete auf den Zug.
    Auch Montalbano setzte sich in einen Sessel. In diesem Augenblick klingelte es an der Tür, Signora Antonietta wollte spontan aufstehen, doch der Commissario hielt sie mit einer Geste zurück. «Galluzzo, geh du hin.«
    Die Tür wurde geöffnet, man hörte eine kurze Unterhaltung, dann kam der Beamte zurück. »Da ist einer, der sagt, er wohnt im sechsten Stock. Er will Sie sprechen. Er sagt, er sei vereidigter Nachtwächter.« Cosentino trug Uniform, er mußte zur Arbeit. »Entschuldigen Sie die Störung, aber mir ist was eingefallen…«
    »Was denn?«
    »Als Signora Antonietta aus dem Bus gestiegen war und begriffen hatte, daß ihr Mann tot ist, fragte sie uns, ob er ermordet worden sei. Also, wenn mir jemand sagt, dass meine Frau tot ist, dann denke ich an alles mögliche, wie sie gestorben ist, aber bestimmt nicht, daß sie ermordet wurde. Außer, ich hätte schon vorher an so etwas gedacht. Ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was ich meine.«
    »Doch, doch. Danke«, sagte Montalbano.
    Er kehrte ins Wohnzimmer zurück; Signora Lapecora saß da wie ausgestopft.
    »Haben Sie Kinder, Signora?«
    »Ja.«
    »Wieviele?«
    »Einen Sohn.«
    »Lebt er
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