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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Autoren: Andrea Camilleri
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‚Corriere’ gelesen hatte. Wissen Sie, ich kann nicht mehr fernsehen, ich sehe Schatten, die mir in den Augen weh tun.«
    »Mir auch, und ich sehe sehr gut«, sagte Montalbano.
    »Daß Sie Lisetta und Mario gefunden hatten, wußte ich jedoch schon. Ich habe zwei Söhne, einer ist Ingenieur, der andere Lehrer, wie ich, beide verheiratet. Eine meiner Schwiegertöchter ist eine fanatische Anhängerin der Lega Nord und unerträglich dumm. Sie mag mich sehr, hält mich aber für eine Ausnahme, weil ihrer Meinung nach alle Süditaliener kriminell oder bestenfalls faul sind. Nie versäumt sie zu sagen: Haben Sie schon gehört, Papà, bei Ihnen – ‚bei mir’ heißt von Sizilien bis einschließlich Rom – haben sie diesen umgebracht, jenen entführt, einen dritten verhaftet, eine Bombe gelegt, in einer Grotte in Ihrem Dorf haben sie zwei Jugendliche gefunden, die vor fünfzig Jahren ermordet wurden...«
    »Wie bitte?« unterbrach ihn Montalbano. »Weiß Ihre Familie denn, daß Sie aus Vigàta sind?«
    »Natürlich weiß sie das, aber ich habe niemandem, auch nicht meiner verstorbenen Frau, gesagt, daß ich in Vigàta noch Land besitze. Ich habe erzählt, meine Eltern und die meisten Verwandten seien in den Bomben umgekommen. Sie konnten mich keinesfalls mit den Toten vom Crasticeddru in Verbindung bringen, sie wußten nicht, daß er zu meinem Grund gehört. Aber als ich das erfuhr, wurde ich krank und bekam hohes Fieber. Alles war mir wieder so entsetzlich gegenwärtig. Ich habe vorhin den Artikel im ‚Corriere’ erwähnt. Da stand, ein Kommissar aus Vigàta, derselbe, der die Toten gefunden hatte, habe nicht nur die beiden jungen Mordopfer identifizieren können, sondern auch herausgefunden, daß der Hund aus Terracotta Kytmyr hieß. Damit war mir klar, daß Sie von meiner Doktorarbeit wußten. Sie schickten mir also eine Botschaft. Ich habe Zeit verloren, weil ich meine Söhne überzeugen mußte, mich allein reisen zu lassen, ich sagte, ich wolle die Gegend, in der ich geboren wurde und meine Jugend verbracht hatte, vor meinem Tod noch einmal sehen.«
    Montalbano war noch nicht zufrieden, und er hakte nach. »In Ihrer Familie wußten also alle, daß Sie aus Vigàta waren?«
    »Warum hätte ich es verheimlichen sollen? Ich habe nie meinen Namen geändert, hatte nie falsche Papiere.«
    »Heißt das, daß es Ihnen gelungen ist zu verschwinden, ohne jemals verschwinden zu wollen?«
    »Genau. Man wird gefunden, wenn die anderen einen wirklich finden müssen oder wollen... Jedenfalls müssen Sie mir glauben, daß ich immer unter meinem Namen gelebt habe, ich habe mich erfolgreich bei Ausschreibungen beworben, ich habe unterrichtet, ich habe geheiratet und bin Vater geworden, ich habe Enkel, die meinen Namen tragen. Ich bin in Pension, und meine Pension läuft auf den Namen Calogero Rizzitano, geboren in Vigàta.«
    »Aber Sie mußten doch, was weiß ich, an die Gemeinde oder an die Universität schreiben, um die notwendigen Unterlagen zu bekommen!«
    »Natürlich, ich habe hingeschrieben, und sie haben sie mir geschickt. Commissario, Sie müssen das historisch richtig sehen. Damals hat kein Mensch nach mir gesucht.«
    »Aber Sie haben das Geld, das Ihnen die Gemeinde wegen der Enteignung Ihres Grundes schuldete, nicht in Anspruch genommen.«
    »Das ist der Punkt. Seit dreißig Jahren hatte ich keinen Kontakt mehr mit irgendwem in Vigàta. Weil man Unterlagen aus dem Geburtsort immer seltener braucht, wenn man älter wird. Aber die Papiere, die ich brauchte, um an das Geld für die Enteignung zu kommen, die waren riskant. Es hätte sein können, daß sich jemand an mich erinnert. Und ich hatte mit Sizilien doch längst abgeschlossen. Ich wollte – und will – nichts mehr damit zu tun haben. Wenn ich mir mit einem Spezialgerät das Blut absaugen lassen könnte, das in mir fließt, wäre ich glücklich.«
    »Möchten Sie am Meer spazierengehen?« fragte Montalbano, als Rizzitano zu Ende gegessen hatte.
    Sie waren seit fünf Minuten unterwegs – der Alte stützte sich auf den Stock und hängte sich mit dem anderen Arm beim Commissario ein –, da bat Rizzitano: »Erzählen Sie mir, wie es Ihnen gelungen ist, Lisetta und Mario zu identifizieren? Und wie Sie darauf gekommen sind, daß ich etwas damit zu tun hatte? Entschuldigen Sie, aber es strengt mich sehr an, gleichzeitig zu gehen und zu reden.«
    Während Montalbano alles erzählte, verzog der Alte ab und zu den Mund, als wolle er zu verstehen geben, daß es nicht so
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