Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Autoren: Jean Bagnol
Vom Netzwerk:

    Gefährlich.
    Ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
    Zadira spürte ein Seelenbeben, tief in sich.
    Und noch etwas anderes. Ein Ziehen. Es war lange her, seit Gaspard sie geliebt hatte.
    Keine Experimente, dachte Zadira. Sie wandte sich der Band zu.

2
    E r lag unter einem Busch. Den Bauch auf der warmen Erde, den Kopf wachsam erhoben, witterte er reglos über den Fluss. Nur selten zuckte sein Schwanz und rührte ein vertrocknetes Blatt über den Boden. Das leise Knistern, das dabei entstand, nahm er ebenso wahr wie jedes andere Geräusch in seiner Nähe. Er überwachte permanent seine gesamte Umgebung, um jederzeit jene Laute herauszufiltern, die eine Bedrohung verrieten. Er durfte sich niemals sicher fühlen. Das war eines seiner Überlebensgesetze.
    Was ihn jetzt allerdings halb in den Wahnsinn trieb, war das bösartige Jucken in seinem Fell. Geradezu überwältigend der Drang, sich zu putzen, und die Quälgeister, die so gierig an ihm saugten, herauszubeißen. Blutsauger!
    Doch niemals würde er alle erwischen. Und es würde ihn nur ablenken.
    Das war ein weiteres Überlebensgesetz: Ein Jäger durfte sich nicht ablenken lassen. Niemals.
    Vor ihm, auf der Wiese, wuchsen die Schatten. Endlich ließ die Hitze des Tages nach. Gierig nahmen seine Sinne jede Bewegung im Gras wahr. In seinem Bauch wühlte der Hunger. Alles in ihm drängte danach zu jagen. Vögel, Mäuse, Ratten, Frösche, Zikaden, die sogar noch sangen, wenn er sie schon halb zerbissen hatte. Irgendetwas, in das er seine Reißzähne schlagen konnte. Bebendes Fleisch und frisches Blut. Er hatte lange nicht mehr gefressen. War nur gelaufen, so weit gelaufen.
    Auf der Suche nach …
    … ja, nach was?
    Er wusste es nicht mehr. Nur, dass es ihn getrieben hatte. Über Straßen, Felder, Äcker, über Höfe und Mauern, durch Dornengestrüpp, Scheunen und Wälder. Er war viele Mondläufe gegangen, hatte noch Schnee gefühlt und in toten, braunen Blättern geschlafen. Bis hierher, auf diese Wiese, die an einen Fluss grenzte. Und dahinter war …
    Wärme.
    Häuser, dicht an dicht, sich stützend, einander zugeneigt und voller verheißungsvoller Winkel. Brüchige Mauern, wucherndes Grün, schräge Dächer. Dazwischen freundliche Schatten. Voller Sehnsucht starrte er auf die im Abendlicht sanft glühende Silhouette der Stadt, die in ihrer Mitte von einem hohen, spitzen Kirchturm bewacht wurde.
    Geborgenheit?
    Nein! Diese Bilder konnten auch eine böswillige Täuschung sein. Wie ein falsches Purren. Nicht einsehbare Plätze konnten zu Todesfallen werden. Und fütternde Hände zu hinterlistigen Folterwerkzeugen.
    Der Wanderer blinzelte ein paarmal, um der Erschöpfung zu widerstehen. Er war der ewigen Wachsamkeit so müde. Des Hungerns und Juckens. Er wusste, dass er eine Entscheidung treffen musste. Sollte er gehen? Oder bleiben? War das eine gute oder eine böse Stadt?
    Um das herauszufinden, gab es nur einen einzigen Weg.
    Springen.
    Noch einmal vergewisserte er sich, ob Gefahr drohte. Doch da war nur ein weißes, lautes Auto, das über die nahe Brücke zu seiner Rechten röhrte.
    Mit seinem Geruchssinn rasterte er die Umgebung. Da war der modrig-braune Geruch des Wassers, über dem der Gestank der Fahrzeuge hing. Und dazwischen ein zartes ingwerfarbenes Aroma. Dies war die Spur, der er folgen musste.
    Er schloss die Augen und entzog den Wachsinnen, dem Sehen, Hören und Tasten, seine Konzentration. Dass sein Maul sich öffnete, steuerte er nicht mehr bewusst. Ebenso wenig, dass die Zunge kleine leckende Bewegungen machte, um mit den feinen Rezeptoren seines hinteren Gaumens die winzigsten Luftpartikel zu filtern. In seinem Kopf, in den nun keine anderen Sinneseindrücke mehr vordrangen, formte sich ein neues, aber weitaus intensiveres Bild der Wirklichkeit.
    Er wusste, dass sich auch die anderen Katzen auf das Flehmen, das Schmecken und Sehen von Gerüchen, verstanden. Doch er konnte mehr. Er konnte sich mit einem Teil seines Selbst dorthin begeben, wo die Gerüche herkamen. Wie ihm dies gelang, wusste er nicht. Es war eine aus der Not geborene Fähigkeit. Damals, als er hatte fliehen müssen.
    Sein Körper blieb während des Springens jedes Mal wehrlos wie ein Stück Holz zurück. Leichte Beute für Bussarde, Luchse oder Hunde.
    Er flehmte, nahm innerlich Anlauf, und dann …
    Es fühlte sich an, als würde er durch eine verborgene Tür in der Luft springen. Er saß nicht mehr unter dem Busch, er war auf der anderen Seite des Flusses, fühlte und roch und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher