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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Autoren: Jean Bagnol
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Sondern seine anderen Sensoren, die ein viel schärferes Bild der Wirklichkeit zu zeichnen verstanden. Dort. In dem Tordurchgang auf der anderen Seite der Gasse, dort erkannte er die bösartig blauschwarze Dichte eines Menschen. Und jetzt konnte er rund um die Tonne die Spuren wahrnehmen, die dieser Mensch hinterlassen hatte. Er war es gewesen, der die Kätzin ins Wasser geschmissen und danach den Deckel auf die Tonne gelegt hatte, damit sie ertrank!
    Schon rechnete der Wanderer damit, dass der Mensch sich nun auf ihn stürzen würde, um mit ihm zu vollenden, was ihm mit der Kätzin nicht gelungen war. Aber da zog sich die Gestalt zurück und verschwand.

3
    A m nächsten Morgen brach Zadira Matéo kurz nach Sonnenaufgang auf. Als sich Guy, der junge Sänger, schläfrig nach ihr umdrehte, flüsterte sie ein zärtliches »Adieu« in sein gepierctes Ohr. Er ließ sich auf die schmale Matratze zurückfallen und begriff, dass er auf ein Frühstück im Bett verzichten musste.
    Zadira zog sich auf der Außentreppe zu ihrer Dachwohnung ihre Laufschuhe an. Die Gardine am Küchenfenster ihrer Vermieterin, Madame Blanche, die in dem verwitterten Bürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert ganz unten wohnte, bewegte sich, als Zadira vorbeilief.
    Dorf-KGB, dachte sie. In Marseille hatte ihr Liebesleben niemanden interessiert. Und auch nicht, wie sie lebte. Hier aber erkundigte sich Madame Blanche jeden dritten Tag danach, ob Madame Lieutenant denn nicht endlich ein richtiges Bett statt einer notdürftig auf den Boden gelegten Matratze kaufen wolle. Oder wenigstens ein Regal für ihre Bücher und CDs, die Zadira in zwei Jaffa-Orangenkisten aufbewahrte. Zudem hatte ihr die Vermieterin deutlich gemacht, dass sie ihr jederzeit ihre Wäsche anvertrauen könne, nachdem sie Zadiras behelfsmäßige Wäscheleine erblickt hatte: eine alte Telefonleitung, die Zadira zwischen den beiden Stühlen am Resopal-Küchentisch aufgespannt hatte und an der ihre im Handwaschbecken gereinigten Sportslips hingen.
    Fast geräuschlos joggte Zadira nun durch die schmalen Gassen der Altstadt, in der nur ein paar Katzen unterwegs waren. Die Luft war weich, das Licht von einer goldmilchigen Zartheit, in der die verwitterten zwei- bis dreistöckigen alten Häuser romantisch wirkten. Der abgeplatzte sandfarbene Putz, hinter dem unregelmäßig geformte Flusssteine und manchmal sogar Stroh zum Vorschein kamen, die blauen, mehrfach übermalten Fensterläden, von Efeu, Weinlaub oder violetten Blumen in Hängetöpfen umrankt, und die schnörkeligen Streben, die die Jugendstil-Laternen an den Haus-Erkern hielten: Mazan war eine Stadt, die sich bereitwillig der Zeit und der provenzalischen Hitze, dem Wind und den bissigen Wintern überließ. Sie alterte in Schönheit. Vor den meisten Türen standen Stühle, und die Gassen neigten sich stets zu einer Seite hin ab, damit der Regen besser abfließen konnte.
    Zadira lief durch eines der mittelalterlichen Stadttore und überquerte die belebte Hauptstraße, die den alten Kern von Mazan wie ein Rund umgab und von Außenblicken abschirmte. Hinter der Bäckerei bog sie rechts ab, joggte durch ein Neubauviertel mit großzügigen Einfamilienhäusern im modernen provenzalischen Landhausstil und lief in den nächstbesten Feldweg. Der Nachttau begann zu verdunsten und verwandelte den Duft der rotbraunen Erde, der Lavendelblüten und des Rosmarins in ein sinnliches Parfüm. Zadira fand, dass die Lavendelbuschreihen wie eine Kompanie lilafarbener Rasierpinsel aussahen. Darüber glänzte die schneeweiße Spitze des Mont Ventoux, und die schräg einfallenden Strahlen der aufgehenden Sonne färbten die Rundziegeldächer von Mazans Altstadt sandgolden.
    In Marseille war Zadira jeden Morgen durch belebte Gassen und entlang smogverhangener Boulevards gelaufen, auf denen sich die Autos hupend im Schritttempo drängten, durch Parks, in denen sich Junkies unter den Büschen hervorrollten. Hier lief sie durch Weinberge und Aprikosenplantagen und wurde auch noch von Bauern, Winzern und Hundebesitzern gegrüßt. Es fühlte sich seltsam an.
    Wie sehr man sich an die Gleichgültigkeit der Leute gewöhnt hat, merkt man erst, wenn man anfängt, ihre Freundlichkeit verdächtig zu finden.
    Eine Dreiviertelstunde später wandte sich ein halbes Dutzend neugieriger Handwerkergesichter Zadiras langen Beinen in den kurzen Shorts zu, als die Fahnderin verschwitzt das Lou Càrri betrat.
    Sie nahm das Frühstück bei Jean-Luc am polierten Holztresen ein. Zwei
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