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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Autoren: Jean Bagnol
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Croissants mit Lavendelhonig aus Sault, gelbe Pflaumenmarmelade aus Bonnieux, drei Espressi, ein Ei im Glas mit Worcestersauce, ein Orangensaft – und dazu jede Menge Versuche des Barmannes, »die Neue« ein wenig auszufragen. Woher genau aus Marseille kam sie?
    »Geboren im Panier, aufgewachsen im Belsunce. Das ist quasi Klein-Beirut«, erklärte Zadira. »Viele Kofferhändler, Berber-Rap und Garküchen.« Jean-Luc nickte, seine Augen glänzten. Welche Verbrechen hatte sie aufgeklärt?
    »Zuletzt: achtjährige Drogenkuriere. Labordrogen für die reichen Sheikhs, damit sie sich selbst ertragen können. Sie bekamen Hirnblutungen und fuhren sich in silbernen Maseratis tot.«
    Jean-Luc klappte der Mund auf.
    »Ist Mazan dagegen nicht furchtbar langweilig?«
    Sie flüsterte: »I wo. Hier schickt die korsische Mafia ihre in die Jahre gekommenen Killer auf Kur, wissen Sie.« Jean-Luc schaute sie ungläubig an – und lachte dann unsicher.
    Als sie ging, sog Zadira unwillkürlich den frischen Rauch von Jean-Lucs Zigarette ein. Er gönnte sich gerade unter der hohen Kastanie eine Gitanes, dazu eine Tasse Schwarzen mit heißer, gesüßter Milch. Ob es an der elektrisierenden Woge Nikotin lag, die sie einsog, oder an der angenehm hemmungslosen Nacht mit dem gepiercten Sänger: Die Welt erschien Zadira an diesem Morgen entgegenkommender. Nicht mehr wie eine zugeschlagene Tür. Sogar das Städtchen kam ihr weniger eng vor, als sie jetzt durch die Gassen den Hügel Richtung Kirche hinaufschritt.
    Zadira sprintete, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Außentreppe des sandfarbenen Hauses hoch.
    Der Sänger war fort.
    Als sie in der winzigen Zinkwanne duschte, sah sie seine Telefonnummer auf dem beschlagenen Spiegel erscheinen.
    Sie beschloss, sie vorerst noch dort stehen zu lassen.
    Kurz darauf suchte sie aus den verbliebenen frischen Wäschestücken ihre inoffizielle Uniform heraus. Cargohose, Tanktop und ein Herrenoberhemd, das die Pistole, die Handschellen, Messer und Stablampe am Koppelgurt überdeckte. Und eine Baseballkappe. Heute eine knallgelbe, mit dem Kampfspruch der in den neunziger Jahren bekannten Anti-Rassismus-Kampagne Touche pas à mon pote – Fass meinen Kumpel nicht an.
    In Marseille war es Usus gewesen, als narc, als Drogenfahnderin, in Zivil zu gehen. Hier hatte Zadira sich schon zweimal von der Staatsanwältin Lafrage anhören müssen, doch bitte Uniform im Dienst zu tragen. Zadira ignorierte es.
    Der Markt vor dem Rathaus hatte bereits geöffnet. Es gab Stände mit Olivenöl, Lindenblütensirup, Lavendelhonig, Steinpilz- und Wildschweinsalami, Käse, Pfirsichen und kistenweise Rosé. Ein Spezialist verkaufte zwei Dutzend Sorten Tomaten. Noch drängten sich an den Ständen mit ihren bunt gestreiften Markisen nur wenige Kunden, hauptsächlich Senioren. Zadira bekam von dem italienischen Melonenmann mit dem prächtigen Schnauzer einen Schnitz Honigmelone überreicht. Gegenüber baute der vor sich hin singende Fahim, ein Watussi, seinen Lederwaren- und Hut-Stand auf.
    » Jonbour, Schwester«, sagte er im breiten Verlan-Dialekt, und sie unterhielten sich, bis der Marktmeister anrückte, um die Standmiete abzukassieren.
    Zadira wartete bis kurz nach acht Uhr, dass der Sergeant der Gendarmerie, der fassbauchige Lucien Brell, angerückt kam und sich dazu bequemte, ihre seit neuestem gemeinsame Wache im Rathaus aufzuschließen. Als er nach zehn Minuten immer noch nicht aufgetaucht war, öffnete Zadira selbst die Tür. Das dazu notwendige Dietrichset hatte die Ermittlerin von Djamal, einem der copains ihres Heimatviertels geschenkt bekommen. Als Unterpfand seines Versprechens, sich mit achtzehn einen legalen Beruf zu suchen. Djamal wurde damals la clé genannt, der Schlüssel, weil er jedes Schloss im Panier-Viertel knacken konnte. Djamal war inzwischen bei der Spurensicherung der wissenschaftlichen Polizei, der PTS. Das war so in Marseille: Gangster wurden Polizisten, Polizisten Gangster. Manchmal entschied nur der Zufall oder eine Freundschaft darüber, auf welcher Seite man landete. Und blieb.
    Nun saß Zadira, Bee Gees’ »Night Fever« summend, auf Sergeant Brells Bürostuhl. Sie legte ihre Füße in den roten Chucks auf den Tisch, nippte an einem Café crème aus Luciens Jura-Maschine und blätterte durch Brells Einsatznotizen. Wie üblich Verkehrsdelikte, Gurtmuffel, Handybenutzung am Steuer. Aber auch Anträge auf polizeiliche Führungszeugnisse, Vorbereitung eines Begräbnisumzuges für einen Veteranen der
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