Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Autoren: Jean Bagnol
Vom Netzwerk:
Résistance, ein Nachbarschaftsstreit wegen des »zu langen Schattens eines Anbaus, der auf die Sonnenterrasse des Ferienhauses nebenan fällt«. Kein Wunder, dass der Gendarm befürchtete, sie könnte ihm einen ganz heißen Fall wegnehmen, zum Beispiel diese …
    Zadira stutzte. Diese Entführung?
    Eine Madame Éloise Roche hatte sie sprechen wollen. Wegen einer Entführung. Lucien hatte das Wort in Anführungsstriche gesetzt und ihr natürlich nichts davon gesagt, so als hätte er die Meldung – oder die Frau – nicht ganz ernst genommen.
    »Plauzilla gönnt mir aber auch gar nichts«, murmelte sie.
    »Wie sind Sie denn hier reingekommen?«, polterte eine Stimme von der Tür aus.
    Zadira hob erst ihren Blick, dann ihren Dietrich.
    »Bonjour, Sergeant Brell. Arbeiten Sie hier nur halbtags?«
    Lucien Brell sah ein bisschen aus wie Gérard Depardieu in der Rolle des fettplauzigen Obelix, fand Zadira, vor allem jetzt, als er, finster dreinblickend, abwechselnd sie und den Dietrich musterte. Er schnaubte, wuchtete einen Korb auf den Tisch, darin jede Menge Tupper-Dosen, in denen Zadira sein zweites und drittes Frühstück vermutete.
    »Das ist mein Schreibtisch, Lieutenant.«
    »Mimimimimi«, erwiderte Zadira.
    »Wie bitte?!«
    »Ich sagte: mimimi. So hören Sie sich an. Mimimi, mein Schreibtisch, mimimi, mein Schlüssel. Mann! Glauben Sie ernsthaft, dass ich auf irgendetwas scharf bin, was Ihnen gehört? Ihr Mazan, Ihre Blitzpistole, Ihre Entführungen? Sergeant, ich bin zwangsversetzt, wissen Sie überhaupt, was das heißt?«
    Der fassbauchige Sergeant starrte sie an. Sie starrte zurück.
    Und in diesen Augenblicken entschied sich etwas zwischen ihnen. Sie konnte förmlich sehen, wie er innerlich aufatmete.
    »Karriere im Arsch und Heimweh im Herzen«, antwortete der Gendarm, kramte eine kleine bunte Blechdose aus dem Korb und öffnete sie. »Wollen Sie ein Berlingot?«, fragte er brummig.
    Sie nahm sich eines der gefüllten, gestreiften Karamellbonbons, die als Spezialität der Region galten.
    »Die aus Carpentras sind die besten«, sagte er, als er sich ebenfalls bediente.
    »Finde ich auch.«
    »Was wollte denn nun diese Madame Roche?«, fragte Zadira nach einer Weile, in der sie einträchtig gelutscht, gekaut und geschwiegen hatten.
    »Ach, die. Sie war Direktorin an der Schule, fünfunddreißig Jahre lang. Aber jetzt hat sie nichts mehr zu tun und meint deshalb, ein wenig aufpassen zu müssen, wer was so macht.«
    »Und?«
    »Sie geht mit ihrem Wissen sehr großzügig um.«
    »Wie oft ruft sie denn hier an?«
    »Täglich.« Der Sergeant schnaufte.
    Dann machte sich Brell an der Kaffeemaschine zu schaffen.
    »Das mit dem Heimweh stimmt«, sagte Zadira, an seinen breiten Rücken gewandt. Der Gendarm schaufelte nachdenklich fünf Löffel Zucker in seine Tasse.
    »Ich geh die Tage mal irgendwo ’nen zweiten Schreibtisch besorgen. Ein neuer ist im Etat nicht drin.«
    »Ich nehme auch einen Camping-Klapptisch. Und bis dahin geh ich Frau Roche besuchen.«
    Als Zadira Brells Stuhl freigab, ließ der sich sofort mit einem erlösten Seufzer darauf nieder.
    »Und was sagt der Herr Commissaire Minotte dazu, dass sie als qualifizierte Ermittlerin ihre wertvolle Dienstzeit mit einer alten Tante vergeuden?«, fragte Brell mit einem Unterton, der kaum verhüllte, was er von Minotte hielt.
    »Was der sagt? Hurra, hurra, schätze ich.«
    Sie grinsten sich an; zu kurz, um es als Beginn einer wunderbaren Freundschaft zu werten, aber zu lang, um einander noch weiter zu triezen.
    Commissaire Minotte und seine Leute würden sie sicher nicht vermissen. Und wenn schon. Kündigen konnten sie ihr nicht. Nur versetzen, wieder und wieder, bis ihnen die verdammten Versetzungsbescheide ausgehen.
    Zadira lächelte zynisch. Nur selten war die Frage: »Was habe ich zu verlieren?«, so leicht mit »Nichts« zu beantworten gewesen. Und seltsamerweise bereitete es ihr ein perfides Vergnügen, es darauf ankommen zu lassen, wie tief sie wohl noch fallen könnte.

    Éloise Roche wohnte wie sie selbst auf dem fast kreisrunden Altstadthügel von Mazan. Zadira bog ein paarmal falsch ab; all diese Gassen mit ihren sich ähnelnden Häuserfassaden, Toren und Treppen bildeten wirklich ein kleines Labyrinth. Zehn Minuten später saß Zadira auf der gemütlichen Sitzbank einer nach Kräutern, Knoblauch und gebackenem Brot duftenden Küche. Vor sich eine Kaffeetasse mit Entenschnabel-Henkel, eine warme Brioche auf einem Teller, und ihr gegenüber eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher