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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Autoren: Jean Bagnol
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anfangen. Oh, nein, nicht wegen dieser Widerlinge, und nicht wegen dir, Javier. Und schon gar nicht wegen Morel. Nicht wegen Mazan und schon gar nicht wegen dem Tod. Diesem Bastard.
    Hart schaltete Zadira einen Gang runter. Im Abendlicht überholte sie nun nur noch Radfahrer, die sich rotgesichtig und verbissen die steilen Haarnadelkurven hinauf an Kreuzmalen vorbeiquälten. Jedes Jahr ließen ein Dutzend Freizeitradler bei der Tour-de-France-Auffahrt zum Mont Ventoux, dem »Windberg«, keuchend ihr Leben.
    Blut, Tod und Zerstörung.
    Manchmal kam es Zadira vor, als teilte sich die Menschheit in zwei Lager der Zerstörungslust. Jene, die am liebsten sich selbst zerstörten. Mit Beziehungen, Extremsport, Drogen. Und die, die zu gern andere zerstörten. Die Mörder. Die Volksfresser. Die Frauenhasser.
    Sie dachte an die junge Theaterstudentin, die die Crim, die Kriminalpolizei, heute in Aubignan gefunden hatte. Bäuchlings, die Hände hinter dem Rücken mit einem rauhen Kälberstrick gefesselt. Die Fersen bis zum Po hinauf gebogen und mit den Handfesseln verknotet. Mit diesem Knoten war wiederum ein um den Hals geschlungenes Lederband verbunden gewesen. Es hatte sich tief ins Fleisch eingegraben, eng zusammengezogen, der Studentin die Luft abgeschnürt. Ihr Kopf war weit zurückgebogen, als ob sie so dem Zug, der auf ihrer Kehle lastete, entkommen wollte.
    Ihre Haut, so glatt. Die Gesichtszüge markant wie die eines Models. Nackt war sie gewesen, nackt und tot.
    Während die Ermittler auf die PTS, die Kriminaltechniker, gewartet hatten, fotografierte einer von Zadiras neuen Crim-Kollegen, ein bulliger Typ mit Bürstenhaarschnitt und einer Unterlippe wie eine Teekannentülle, die gefesselte Frau von hinten mit seinem Fotohandy. Genau zwischen den Beinen. Er zeigte das Foto seinem Kollegen, einem Typen mit roter Nackenwulst.
    »Das ist mal ’ne chnek, oder?«, hatte er feixend gemurmelt.
    Zadira wusste, dass es Foren in den Tiefen des Internets gab, auf denen Polizisten Opferfotos verhökerten, um ihr Gehalt aufzubessern. Als sie den Bürstenkopf angeherrscht hatte, war ihr neuer Dienststellenleiter Commissaire Stéphane Minotte dazwischengegangen.
    »Hören Sie auf, Unruhe zu verbreiten und sich in die Angelegenheiten Ihrer Kollegen einzumischen, Lieutenant Matéo«, hatte Minotte ihr zugezischt. »Das ist schon in Marseille nicht gut für Sie ausgegangen.« Für ihren Geschmack sagte er das zu dicht an ihrem Ohr.
    Zadira hatte in den drei Wochen seit ihrer Versetzung jeden Tag zu spüren bekommen, dass sie nicht willkommen war. Das war ihr am ersten Tag noch anders vorgekommen. Als sie sich im Commico, im Kommissariat am Boulevard Albin Durand in Carpentras zum Dienst gemeldet hatte, war es Commissaire Stéphane Minotte und dem Polizeichef, Commandante Morel, noch ein Vergnügen gewesen, der Drogenfahnderin Zadira Matéo den Posten im Vaucluser Weinstädtchen Mazan zu übergeben.
    Wenig später hatte sie auch herausgefunden warum. Mazan war kein Posten, Mazan war ein Witz.
    Sie musste sich ihren Schreibtisch mit dem Dorf-Gendarmen teilen, der eigentlich lieber Weinhändler war und sich trotzig weigerte, ihr einen Schlüssel zur Wache zu geben. Was man in der Provinz für eine Wache hielt: ein Tisch, ein Tresen, ein Handwaschbecken. Nicht einmal eine Zelle für Verdächtige gab es, sondern nur einen Klappsitz mit einem in die Wand eingelassenen Eisenring für die Handschellen.
    Da Mazan eine Kriminalitätsrate besaß, die verdächtig gen null strebte, hatte Zadira Polizeichef Morel gebeten, sie bei der Crim, der Kripo, einzusetzen, obgleich sie Drogenfahnderin war. Commandante Morel hatte gelacht und gesagt: »Wenn Sie meinen.« Und so war Zadira in Minottes rein männlicher Abteilung gelandet. Wo jeder der Kollegen sie auf kreative Weise schikanierte. Bei den Teambesprechungen war nie ein Stuhl für sie frei. Ihr Auto wurde regelmäßig zugeparkt. Am Schwarzen Brett wurden demonstrativ Pin-up-Girls in Polizeiklamotten aufgehängt.
    Zadira hatte früh gelernt, dass in Frankreich vor dem Gesetz nicht alle gleich waren. Schon gar nicht jemand wie sie. Sie war die Tochter eines pied-noir. Halb algerischer, halb französischer Herkunft. Ihr schwarzes Haar, ihr bronzefarbener Teint und ihre auffällig hellen grünen Augen im eher arabisch geschnittenen Gesicht verrieten deutlich die Tuareg-Tochter. Wie oft war sie als junges Mädchen in Marseille von rechtsnationalen Bac, den zutiefst ausländerfeindlichen Spezialtruppen
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