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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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›stehn‹ dem fast nur schriftkorrekten ›gehen‹ und ›stehen‹ sogar vor – nimmt diese Möglichkeit aber taktvoll wahr, nie nur als Mittel zum Zweck der Silbenzahl.

    Frage: Glaubst du, man könne alles übersetzen?
    Antwort: ›Übersetzen‹ hat in verschiedenen kulturellen Situationen sehr verschiedene Bedeutungen und Aufgaben. Ich möchte nicht zu generell davon sprechen, sondern bei der Commedia bleiben. Ihre besondere Schönheit an Reim und Rhythmus läßt sich nicht übersetzen. Da diese wesentlich zu ihr gehört, bekommt Dante recht, der von der Dichtung behauptet, sie sei unübersetzbar. Vielleicht läßt sich keine sprachliche Äußerung übersetzen, es sei denn, sie sei fachterminologisch oder durch den unmittelbaren praktischen Bezug eindeutig gemacht worden, wie wenn der Feuerwehrmann ›Wasser‹ ruft. Alles Übersetzte ist der individuelle Entwurf eines Übersetzers.
    Jede nicht durch methodische Disziplinierung oder direkten Praxisbezug regulierte und damit festgelegte Äußerung, jeder philosophische Satz und erst recht jedes Gedicht gehört in seine kulturelle Welt. Deren Präsenz in einzelnen Sätzen wird oft nur unvollständig erkannt oder vollständig verkannt; sie zusammen mit ihrem temporalen Hintergrund ausdrücklich zu übersetzen, würde bedeuten, daß der Übersetzer seinen Kommentar in die Übersetzung schreiben muß. Die vorhandenen Kommentare erklären meist nur Details. Dante setzte voraus, daß man weiß, was ein Engel ist und daß er auf dieser Grundlage dieses Wissen modifizieren, weiterentwickeln, kritisieren, verändern kann. Gott, Seele, Sünde, Liebe, Teufel – dies alles stand bei ihm in einem kulturellen Rahmen, oder vielmehr: es schwamm in einem strudelnden Geschiebe, in einem geschichtlichen Prozeß sich verändernder, kontroverser kultureller Bedeutungen, aus denen er Einzelnes herausgriff und aus seinem Kontext mit neuer Bedeutung auflud. Er reihte sich ein in bestimmte Tendenzen, die er veränderte, anderen widersprach er.
    Diese historische Fluß-Situation, die sich nur manchmal, nicht immer, an Namen festmacht, kann der Übersetzer kaum oder nur manchmal zum Ausdruck bringen. Handelt es sich dabei um einen Fachterminus der mittelalterlichen Theologie oder Philosophie, kann der Übersetzer dessen Fremdheit dadurch wiedergeben, daß er ein Fremdwort nutzt oder gar neu schafft und zum Beispiel für formale bei Dante das Wort ›forma-haft‹ einsetzt. Ich möchte lieber maßvoll verfremden als formelhaft aneignen. Der Leser der Übersetzung sieht dann, was sich nicht hat übersetzen lassen. Das gilt wohl auch für Termini der sizilianisch-stilnovistischen Liebeslyrik: donna hat vielleicht einmal (Par. 15, 137) die Bedeutung von ›Frau‹, meist aber von ›Herrin‹, ›Dame‹ gerade bei Beatrice, aber ›Herrin‹ paßt für die ›Geliebte‹ nur innerhalb eines kontingenten, historischen Konzepts von Liebe. Dantes gentile bedeutet nicht ›liebenswürdig‹, auch nicht ›höflich‹, sondern ›adlig, vornehm, von königlicher Erscheinung‹. parere heißt nicht ›scheinen‹, auch nicht ›erscheinen‹, sondern ›sich offensichtlich zeigen, evident und allgemein angenommen sein‹. Es hat in der Regel nicht die Bedeutung, daß etwas erschiene, ohne das zu sein, als was es erscheint; dafür hat Dante sembrare . [939]   Nicht als Beweis, wohl aber als Hinweis gesagt: Bei Aristoteles haben Ausdrücke wie dokei und doxa die Bedeutung von: ›offensichtlich, allgemein angenommen, nicht bewiesen, aber unbezweifelt‹; ähnlich war es bei einem videtur der lateinischen Aristoteles-Übersetzungen und scholastischen Traktate, von denen Dante einige studiert hat. Solche Termini lassen sich korrekt übersetzen; der Übersetzer muß nur die kulturelle Heimat und das geschichtliche Umfeld solcher Ausdrücke erkennen. Die Übersetzungsverluste sind groß, lassen sich aber prinzipiell präzis angeben. Die Übersetzung von Georg Peter Landmann gibt antike Assoziationen der Commedia verläßlich an, mißversteht aber einige Ausdrücke der mittelalterlichen Wissenschaft. Deswegen ist es gut, wenn es mehrere neuere Übersetzungen gibt. Eine allein reicht nicht aus. Die einzelnen Wörter wollen im Blick auf ihren Umhof übersetzt sein, und da zeigt sich ein reiches Spiel von Assoziationen und Varianten.

    Frage: Hat Dante tatsächlich jede Übersetzung von Dichtung verworfen?
    Das hat er ohne jeden Zweifel.
    Er hat kategorisch erklärt, Dichtung sei nicht zu
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