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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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Ewigkeitsbetrachtung von oben, sodann die raschen, oft brutal-faktischen Entwicklungen der irdischen Vorgänge. In den Termini von Croce: In der Commedia mischen sich romanzo und poesia , Prosasprache und Poesiesprache. In ›prosaischem Rationalismus‹ ordne Dante die Lyrik der Personen, auch der kleinen Nebenfiguren, an ihrem besonderen Ort ein, um sie dann individuell und schichtenspezifisch reden zu lassen. Dabei öffne sich die Rationalität zum Undefinierbaren, Zweideutigen, Irrationalen (S. 1382). Die doppelte Natur der Commedia , mit der es alle bisherige Dante-Auslegung zu tun gehabt habe, beschreibe er, Pasolini, als zwei verschiedene und entgegengesetzte, aber koordinierte sozio-lexikalische Reihen (S. 1385).
    Pasolini analysiert dann knapp und für mich nicht ganz klar folgende Besonderheit der Sprache Dantes: Indem Dante den Blick nach oben nehme und die Sprache des theologisch-lateinischen Universalismus spreche, erweitere er nicht nur den linguistischen Horizont, sondern gebe ihr Ausdrucksstärke und Realismus; er ziehe sie sozusagen in die natürliche, laikale Sprache hinüber. Er drücke die religiöse Geschichtsüberlegenheit aus, indem er sie historisiert, sie also übersetzt in poetische Irrationalität (S. 1387). Er gibt den Engelflügeln Farben, er läßt die Seligen Figuren tanzen und im Zorn aufschreien, dies alles sind Säkularisationen der farblosen und atemporalen Überwelt.
    Pasolini weist abschließend auf eine sprachliche Form hin, die Dante gewonnen habe, er nennt sie erlebte Rede, discorso indiretto libero . Das heißt: er läßt jemand reden, ohne zu sagen, wessen Rede es ist, ohne sie, modern gesprochen, in Anführungszeichen zu setzen (S. 1376 und S. 1389). In den Anklagereden gegen Florenz, Pistoia und Pisa rede nicht Dante der Autor, sondern Dante der Wanderer. Seine Rede wird in freier Form indirekt wiedergegeben. Der Autor hält sich zurück, spielt nur als Regisseur mit.

II.
    Dante übersetzen
    1.
    Ein kleiner Dialog: Fragen an einen Dante-Übersetzer
    Frage: Warum übersetzt du Dante?
    Antwort: Ich tue es vor allem für mich selbst. Denn wer übersetzt, muß genauer lesen. Er muß dem Text in die letzten Winkel folgen. Wir lesen alle zu schnell. Wer übersetzt, muß langsam lesen. Das ist die erste Wohltat – für mich selbst. Ich entdecke originelle Sätze und schöne Stellen. Und ich habe die glückliche Erfahrung gemacht: Wenn ich mich zunächst nur ganz für mich in einen großen Text vertiefe, sogar mich in ihm verliere, dann interessiert mein Ergebnis auch andere.
    Es gibt schon viele Übersetzungen, ich weiß. Ich habe mich oft gefragt: Willst du wirklich den einundfünfzigsten deutschen Dante bringen? Lohnt sich die jahrelange Arbeit? Ich antworte: Dreimal Ja: Denn erstens drücke ich, was ich verstanden habe, gerne in meiner Sprache aus. Ich genieße das, auch die pedantischen Korrekturen an meinen früheren Fassungen. Zweitens: Wenn es viele Übersetzungen gibt, zeigt das, daß keine voll befriedigt. Keine ist definitiv. Jede ist ein individuelles Produkt. Dann, sage ich mir, darfst du auch deine eigene danebenstellen. Drittens: Viele Übersetzungen sind rückwärtsgewandt. Sie setzen voraus, ein alter Text gehöre in eine altertümelnde Diktion. Andere gehen davon aus, übersetzte Dichtung müsse ›poetisch‹ klingen, und setzen unbewußt ihr Poesiekonzept aus der Zeit von 1824 bis 1963 ein. Ich kratze diesen Lack ab.

    Frage: Was verstehst du unter ›gegenwärtigem‹ Deutsch?
    Antwort: Gute Frage! Denn ich meine nicht, daß ich am alten Text etwas modernisieren sollte. Ich lasse ihn, wie er ist: alt, fremd, sperrig, beladen mit historischem Stoff, mit theologischer Spekulation, mit bizarren Einfällen. Aber er soll lesbar sein. So hell, so durchsichtig wie möglich. Und dazu wünsche ich mir für ihn ein Deutsch, das weder gefühlig vertieft ist noch gassenhauerisch platt. Ich könnte genauere Kriterien nennen, also lange darum herumreden, aber am Ende müßte ich zugeben: Unter ›gegenwärtigem Deutsch‹ verstehe ich mein Deutsch, das Deutsch der Prosa von Kurt Flasch. Ich habe über meine Diktion nachgedacht und sie ein Leben lang zu verbessern gesucht. Als Mittelalterspezialist habe ich überlegt: Gerade weil ich über alte Sachen schreibe, darf meine Sprache nicht altertümelnd sein. Daher kommt bei mir das Wort ›Pilgrim‹ nicht vor. Da gibt es kein ›Glöcklein, das leise weint‹. Das war schon 1963, als die beiden Wartburgs ihre
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