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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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uns nicht direkt sehen; er hüllt ihn in einen Feuermantel. Darin bleibt er verborgen, weil er seine Kriegslisten in seinem verborgenen Inneren ausgedacht hat. Bei seiner letzten Ausfahrt ging er aus sich heraus, und doch hält Borges es für ›evident‹, daß er ihretwegen in der Hölle steckt. Was ›evident‹ ist, braucht man nicht weiter zu begründen. Offenbar hat nicht nur Dante, wie Borges ihn sieht, schwache Stellen, z.B. im Paradiso (S. 114), sondern auch Borges selbst. Er gewinnt wieder, wenn er die Commedia als ganze charakterisiert und ihre Intensität und zugleich Zartheit bewundert. Seine Neun Essays führen hin zu Dante, haben aber weder die Intensität noch die Zartheit Mandelstams, dem der Gegensatz zur sowjetischen Kulturdiktatur, der er körperlich unterlag, das Äußerste abverlangte. Doch schließe ich dieses Kapitel mit einigen Sätzen des großen argentinischen Autors: »Die Commedia ist ein Buch, das wir alle lesen sollten. Dies nicht zu tun, bedeutet, sich des größten Geschenks zu berauben, das die Literatur uns bieten kann. Es bedeutet, sich zu einer seltsamen Askese zu verurteilen. Warum sollten wir auf die Freude verzichten, die Commedia zu lesen?« (S. 131).
    8.
    Sprachunterschiede. Pier Paolo Pasolini 1972
    Pier Paolo Pasolinis (1922–1975) Interesse an Dante und Boccaccio war von mehreren Seiten her motiviert: Er begann als Dichter im friaulischen Dialekt und durchdachte die Erfahrung des Sprachenpluralismus; Gianfranco Contini hatte ihn als poetische Kraft schon 1942 entdeckt, und Pasolinis Beziehung zu Dante verstärkte das Interesse an der älteren italienischen Literatur.
    Pasolinis Programm, von der Tradition antitraditionellen Gebrauch zu machen, war am größten Dichter und seiner Rezeption zu erproben; mit dem Film über das Decameron (1970) gestaltete er sein Konzept von Volksnähe und Sexualität in der vorbürgerlichen Gesellschaft; seine Außenseiterrolle, seine Zuneigung zu christlich-franziskanischen Ideen und zu Häretikern, kurz, die unorthodoxe Aneignung der Orthodoxie gestaltete er in Film ( Das Evangelium nach Matthäus ) und in der Aufsatzsammlung Empirismo eretico von 1972. Dort findet sich der Essay: In welchem Sinne wollte Dante Dichter sein, La volontà di Dante di essere poeta.
    Von Dualität in der Commedia war seit Schelling viel die Rede, bei De Sanctis und bei Croce. Pasolini gab der Betrachtung eine sprachorientierte Wendung und beschrieb die sprachliche Ausweitung, die Dante erreicht habe aufgrund einer Beobachtung der Verschiedenheit der Sprachschichten der Heimatstadt. Er habe den sprachlichen und damit den sozialen Horizont erweitert. Er habe lexikalische und expressive Möglichkeiten vermehrt, habe Unterschichtssprache und Dialekte studiert. Dantes Sprachausweitung erfolge in doppelter Hinsicht: Einmal zum mittelalterlichen theologischen Universalismus und seiner lateinischen Form hin, die er sich aneignet und ins Volgare übersetzt, und dann in der Gegenrichtung auf die verschiedenen Stufen der Volkssprache und ihre gesellschaftlichen Träger. Wenn Dante Personen sprechen lasse, dann sprächen sie nie seine, Dantes Sprache, sondern ihre eigene. Und das sei nicht möglich gewesen ohne psychologische Aufmerksamkeit auf die Personen und auf ihren sozialen Kontext. Kein Mensch kann die Sprache eines anderen wiedergeben oder simulieren, wenn er sich nicht in die psychologische und in die soziale Situation des Redenden versetzt hat. Francesca da Rimini rede in der damals modischen Edelsprache, elegant, aristokratisch in Ausdrücken der Liebesliteratur (S. 1377). [938]   Dante habe auf der einen Seite vor dem gewaltigen Block lateinischer Texte gestanden und habe sich aus diesem angeeignet, was er brauchen konnte, aber interessanter sei seine Zuwendung zur Sprachenvielfalt des Volgare. Dante vollzog diese widersprechende Bewegung: nach oben in die universal-klerikale lateinische Kultur, nach unten in die irdische Welt der Volkskulturen mit ihren diversen Sprachschichten ländlicher, handwerklicher, kommunal-politischer und laikal literarischer Herkunft. In diesem Sinn spricht auch Pasolini von der Doppelnatur der einheitlichen Commedia , aber damit meint er die doppelte Sprachaneignung Dantes einmal aus der theologischen Gesamtsicht der Dinge und dann aus der gesellschaftsbeschreibenden Volkssprache. Die Doppelung mache sich auch darin bemerkbar, daß divergierende Zeiterfahrungen ausgesprochen sind, einmal die langsame Regie der
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