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Coltan

Coltan

Titel: Coltan
Autoren: Ivo Andress
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zu
begreifen?“
    Ahrendt schweigt.
    „Ahrendt?“
    Fast wäre ihm ein Schnauze rausgerutscht. Einen Moment Ruhe, einen Moment nur. Nein, da ist nichts.
    „Entspannen Sie sich, da ist nichts.“
    „Entspannen? Aber wenn …“
    „Nichts, da ist nichts. Punkt.“
     Starnhagen holt tief Luft. Sein Puls rast.
Ahrendt hat das Gespräch beendet.

107
    Gallert würde weit weg sein und so hatte Mader
am Morgen beschlossen, sich eigene Zigaretten zu kaufen. Wider alle Vernunft,
aber man wusste nie, was der Tag bringt.
    Sie reißt ein Blatt aus ihrem Notizblock und
faltet einen provisorischen Aschenbecher.
    „Darf ich?“, Eva Starnhagen steht direkt hinter
ihr, eine schwarze Businesstasche über der Schulter, eine, der man den Preis
sofort ansieht. Mader schnippt eine Zigarette aus der Packung. Feuer? Eva
Starnhagen beugt sich kurz über den Korb, ihre linke Hand bildet einen
Schutzwall, dahinter die Flamme des Feuerzeugs. Ein Lächeln, fast komplizenhaft.
Was geht in dieser Frau vor?
    „Sie sind erstaunt?“
    „Warum?“
    „Vielleicht,“, der erste Zug, sie inhaliert
tief, legt dann den Kopf in den Nacken und bläst den Rauch in die
herabhängenden Äste der Eiche, „ vielleicht haben Sie erwartet, dass ich
schreie, meinen Mann anrufe. Ihnen drohe? Das wäre doch normal, oder?“
    Mader nippt an ihrer Tasse. Die Frau will
reden, daran besteht kein Zweifel.
    „Ehrlich gesagt, ja.“
    „Wie lange wir verheiratet sind, wissen Sie vermutlich.
Es lief nicht schlecht, zumindest die ersten Jahre. Ich arbeitete als Anwältin,
er bastelte an seiner Karriere. Dann die erste Fehlgeburt, nach der zweiten
habe ich gekündigt.“
    Sie saugt einen halben Zentimeter auf einmal in
sich, ihr Brustkorb hebt sich, dann formen ihre Lippen einen Kreis und sie
atmet stoßweise aus. Kringel für Kringel steigt langsam gen Himmel.
    „Mir war das alles zu viel. Zwei, drei Abende
in der Woche Gäste. Dann die Empfänge. Antichambrieren, dekorative Frauen, endlose
Gespräche über nichts.“
    „Warum sind Sie nicht gegangen?“
    „Arthur ist, wissen Sie, er ist ein Mann, der
nicht viel erwartet. Einzig Loyalität, das ist ihm wichtig.“
    „Sie haben doch nicht etwa aus Loyalität
geheiratet?“
    „Irgendwie schon. Kennen Sie das Münsterland?
Meine Familie, nun, wir waren ihm, wir fühlten uns ihm wohl irgendwie verpflichtet.
Er hat uns sehr unterstützt, und er kann eine Frau nicht nur zum Lachen bringen.“
    Mader wand sich. Gar zu gern würde sie ihren
Gefühlen freien Lauf lassen.
    „Sie wissen, dass Sie ihren Mann nicht belasten
müssen?“
    „Ja, und ich könnte Sie sogar rausschmeißen. Darf
ich nachschenken?“
    Eva Starnhagen beugt sich über den Tisch, füllt
die Tassen. Einzig die Haut an ihrem Ellbogen verrät, dass sie die dreißig
schon hinter sich gelassen hat.
    „Dann sind wir nach Berlin gezogen, vor allen
anderen. Er hatte schon immer das Gespür für den richtigen Moment und ich das Erbe.
Was Sie hier sehen, das ist die Berliner Residenz eines Hamburger Gewürzhändlers.
Jedenfalls, ich schaffte das alles nicht mehr. Nicht die Empfänge, nicht das
Gequatsche und auch nicht das Haus. Letzteres ließ sich organisieren. Wir zahlen
gut. Unsere Haushälterin bekam hier eine Wohnung, für sich und ihre Tochter.
Nach neun Monaten hat sie gekündigt, druckste herum. Das Mädchen war 15. Natürlich
hab ich ihn zur Rede gestellt. Und mich dann doch mit der billigsten Erklärung
zufriedenzugeben: Jungmädchenphantasien.“
    „Warum hat die Frau ihn nicht angezeigt?“
    „Fragen Sie doch mal Ihre Kollegen. Egal,
vorbei.“
    Sie schob das Geschirr zusammen und legte die
schwarze Tasche auf den Tisch.
    „Ich seh ihn nur noch selten. Wir haben die
Etagen aufgeteilt. Dann und wann begegnen wir uns, aber eher zufällig.“
    „Sind Sie immer noch in Behandlung?“
    „Ja. Ohne die kleinen Muntermacher säße ich wohl
dauerhaft in irgendeiner dunklen Ecke, blöd und stumm wie ein Kartoffelsack.
Aber danke, es geht.“

108
    Frisches Oberhemd, die Krawatte exakt gebunden.
Er duftet nach Minzseife und einem schwer vanillehaltigen Eau de Toilette.
Sollte er uns je ungewollt verloren gehen, hätte der Suchhund keine Schwierigkeiten.
    „Danke, dass Sie sich etwas Zeit nehmen
konnten.“
    Dieses wohlwollende Lächeln gefolgt von einer
Handbewegung, mit der er mir den Platz zuweist.
    „Wasser, Kaffee?“
    „Gern.“
    Er betätigt die Wechselsprechanlage und
bestellt.
    Nur keine Eile. Doch da steht auch schon Frau
Seeligmann samt
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