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Coltan

Coltan

Titel: Coltan
Autoren: Ivo Andress
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Tablett zwischen uns.
    „Bitte?“, kein Wort zu viel. Er stützt die
Ellbogen auf die Tischplatte und legt sein Kinn auf den verschränkten Händen
ab. Ganz der aufmerksame Zuhörer, ein wenig mitleidig der Blick.
    „Tja.“, leichtes Stottern, ein wenig
inszenierte Unsicherheit konnte nicht schaden, „Ja, wie soll ich sagen. Es ist
ein wenig pikant. Wir haben in einem Mordfall ermittelt.“
    Ich senke entschuldigend und devot den Kopf.
    „Sie haben vielleicht davon gehört?“
    „Man hört so dies und das.“
    „Auch im Wirtschaftsministerium?“, das
süffisante „erstaunlich“ verschlucke ich im letzten Moment. Trotzdem, das Spiel
ist aus. Ruckartig beugt er sich vor und schiebt mir seinen Kopf entgegen.
    „Was wollen Sie von mir?“
    „Uns liegt eine Aussage vor, dass Sie,“ ich beginne
in meinen Taschen nach dem Notizzettel mit den Daten zu suchen, „ja, also, dass
Sie am ersten Augustdonnerstag dieses Jahres abends … Es war genau der 4.
August … da sollen Sie so ab 21:30 Uhr im Penthouse des ` Four Palms` gewesen sein.“
    Starnhagen verzieht keine Miene.
    „Wir haben auch eine Videoaufzeichnung des Sicherheitssystems,
die diese Aussage untermauert.“
    Keine Reaktion.
    Ein Schlückchen Kaffee. Die Lampe auf seinem
Telefon blinkt, er greift nach dem Hörer: „Jetzt nicht!“ und legt auf.
    „Kennen Sie einen gewissen Herrn Tarnowski?“
    „Soll ich Ihren Chef gleich anrufen oder wollen
Sie vorher gehen?“
    „Das ist allein Ihre Entscheidung. Aber vielleicht
warten Sie noch einen Moment. In der Aussage, die uns vorliegt, behauptet ein
Augenzeuge, dass Sie an jenem Abend eine Minderjährige brutal missbraucht haben
sollen.“
    Starnhagen steht wortlos auf und geht Richtung
Tür. Sein Jackett ist auf dem Rücken dunkel eingefärbt.
    Er drückt die Klinke hinunter: „Frau
Seeligmann, wenn Sie Herrn Gallert bitte hinausbegleiten würden. Anschließend
verbinden Sie mich bitte mit, wie heißt der doch gleich, egal, das finden Sie
schon raus. Also, zuerst den Polizeipräsidenten und danach den Innensenator.
Oder nein, besser umgekehrt.“
    Ich bleibe direkt vor ihm stehen. Da war es,
dieses leichte Zucken des Augenlids, das sich unmöglich kontrollieren lässt.
    „Sie sollten auch noch an Ihren Anwalt denken.“
    Er dreht sich wortlos um und verschwindet
hinter der sich geräuschlos schließenden Tür. Frau Seeligmann wirft mir einen
halb fragenden, halb hasserfüllten Blick zu.
    „Wie lange arbeiten Sie schon für ihn?“
    „Seit er in Berlin ist. Mehr als zehn Jahre.“ Die
Hand auf der Klinke wartet sie geduldig, dass ich mich endlich davon mache.

109
    Ahrendt hörte angespannt zu.
    Er hatte sich einen Tag freigenommen und war
auf dem Weg an die Havel. Ein Motorboot, eine Flasche Bourbon. Der Abend mit
Starnhagen hatte in ihm keine neuen Sympathien für diesen Mann geweckt.
    Jetzt hörte er ihn fassungslos brüllen: „Nun
sagen Sie doch endlich mal was? Ahrendt! Sie müssen mir helfen, sonst bin ich
geliefert.“
    Ahrendt hielt das Telefon vom Ohr weg. Schließlich
schwieg Starnhagen, wartete auf eine Antwort.
    „Ahrendt?“ Nein, es gab nichts mehr zu sagen.
Sein Daumen bewegte sich langsam auf die rote Taste zu, senkte sich und das
Gespräch war beendet.
    Strafvereitelung im Amt? Was hatte Hanschke
schon, was konnte er ihm vorwerfen? Natürlich gab es nichts Schriftliches außer
seinen eigenen Aufzeichnungen. Memos über Telefonate, penibel hatte er Buch
geführt. Eine Rüge, schlimmstenfalls eine Abmahnung samt Zwangsversetzung. Wenn
schon. Er setzte den Blinker. Das Handy stimmte eine Bach-Fuge an: Starnhagen.
Er summte leise mit, variierte leicht und bog auf den Parkplatz ab.
    Sicherheitsberater, an irgendeiner Botschaft,
für zwei, drei Jahre, dann würde er seinen Abschied einreichen.
    Er blieb im Auto sitzen, wählte, es waren nur
wenige Worte nötig. Danach stieg er aus, nahm den Picknickkorb aus dem
Kofferraum und schlenderte zum Steg. Der Eigner erwartete ihn bereits. Ein
kurzer Handschlag, ein großer Schritt. Das sanfte Röhren des Motors, der Bug
hob sich und er stemmte sich gegen den Fahrtwind.

110
    Martens Name erschien im Display. Ich ließ es
klingeln, bis die Mail-Box übernahm.
    Kurz darauf Mader: „Unglaublich! Fotos, Videos,
alles.“
    Sie war aufgewühlt und überdreht zugleich. Eva
Starnhagen sei bereit gegen ihren Mann auszusagen. Kinderpornos, auch sogenannte
Trophäen von seinen Ausflügen. Was muss dieser Mann seiner Frau angetan haben,
dass sie ihn so
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