Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coltan

Coltan

Titel: Coltan
Autoren: Ivo Andress
Vom Netzwerk:
wieder unerwartet zu schmerzen begann.
    „Viel eleganter, wenn auch ein wenig
aufwendiger, scheint mir deshalb Kalium. Also, zuerst ein kleiner Cocktail mit einem
Beruhigungsmittel, das der Körper schnell wieder abbaut, das ihn aber trotzdem
für fünf Minuten ruhig stellt. Anschließend eine kleine Spritze, am besten
unter die Zunge.“
    Ob Andrej darauf eingehen würde? Er liebte es
nicht, seinen Objekten zu nahe zu kommen. Andererseits – er wird schließlich
gut bezahlt.
    Lermontow holte ein Schächtelchen unter dem
Tisch hervor: „Kalium, Spritze, Dosierungsanleitung. Und natürlich! Das Mittel,
das für Ruhe sorgt. Am besten in etwas Flüssigkeit. Seht zu, dass er acht bis
zehn Stunden nicht vermisst wird. Die moderne Analytik ist ein Teufelszeug. Vor
allem, wenn es um Drogen geht.“
    Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, er war
noch immer einer der Besten in seinem Fach.

102
    Starnhagen lümmelte in seinem mit weichem
schwarzen Nappaleder bezogenen Drehstuhl, die Lehne halb zurückgeklappt und die
Füße auf dem Schreibtisch, ein Kristallglas mit einem 20 Jahre alten Single
Malt in der einen und einen schwarzbraunen Zigarillo in der anderen Hand. Er
hatte seinen Teil der Abmachung erfüllt. Der Rest war Tarnowskis Angelegenheit.
Gern hätte er jetzt mit ihm angestoßen. Auch wenn der Russe mitunter ein wenig
überspannt war, letztlich war es seinem Geschick zu verdanken, dass Dr. Arthur
Starnhagen sorgenfrei in die Zukunft blicken konnte.
    Doch Tarnowski saß in Moskau, sein Pech.
    Der übereifrige Stadtpolizist konnte sich
wieder um erschlagene Ehefrauen und marodierende Junkies kümmern. Ahrendts
Abschlussbericht würde für die nächsten dreißig Jahre im Archiv verschwinden,
wahrscheinlich sogar noch länger. Er nippte an seinem Glas. Mit Tarnowski wäre
er jetzt feiern gegangen, womöglich sogar geflogen, Austern essen in Brüssel.
Mit Ahrendt kam das nicht infrage. Der war ihm nach wie vor unheimlich. Eine Spinne,
in deren Netz man sich leicht verfangen konnte. Zurückhaltend, immer
unbeteiligt. Doch dieses Mal hatte er sich eingelassen, war nicht mehr nur der
dienstbare Zuträger geblieben, sondern hatte das Angebot angenommen. Es war Tarnowskis
Idee, der meinte, es wäre gut, einen Troubleshooter im Team zu haben. Manchmal bedarf
es nur eines Fingerzeigs, um unliebsame Fragen zu unterbinden. Zumindest hierzulande.
    Russland indes war immer noch unsicheres
Terrain. Man musste mit allem rechnen, vor allem der Angst vor strategischen
Abhängigkeiten. Nicht Wenige suchten sich mit diesem Schreckgespenst zu profilieren.
Da war der Humanitarian Life Trust in all seiner Unschuld ein Geschenk
des Himmels. Er griff zum Hörer und wählte Ahrendts Nummer über die sichere
Leitung.
    „Ja?“, im Hintergrund Stimmengewirr.
    „Starnhagen hier. Wie wäre es mit einem Roten?“
    Ahrendt überlegte. Sie hatten es überstanden. Nichts
sprach dagegen, sich mit Starnhagen zu zeigen.
    „Warum nicht. In einer Stunde?“
    „Schön. Bestellen Sie uns einen Tisch.“
    Warum bestellst Du ihn nicht selbst, dachte
Ahrendt. Die letzten Schreibtische wurden auseinandergeschraubt, in einer
halben Stunde würde außer der Glastür nichts mehr übrig sein von der
Systemtechnologie. Die Sicherheitstechnik war entfernt worden, die
Spezialschlösser ebenso. Nur der Fußbodenbelag blieb, er hatte ihn nie gemocht.
Reutter stand unschlüssig im leeren Flur.
    „Wir sehen uns morgen um zehn.“
    Aber Reutter sah an ihm vorbei. Ahrendt war
verärgert. Was bildete der sich ein, ihn einfach zu ignorieren: „Hören Sie
mich?“
    Doch der andere hob nur leicht das Kinn und
deutete Richtung Tür.
    „Ich dachte, Sie arbeiten für den Bund?“
    Er erkannte die Stimme sofort. Gallert.
    „Und?“, Ahrendt drehte sich langsam um. „Was
geht Sie das an? Nichts, wenn ich mich recht erinnere?“
    „Systemtechnologie? Kleiner Nebenjob für nicht
ganz ausgelastete Bundesbeamte?“
    Gallert setzte, fast tänzelnd, einen Fuß vor
den anderen, stieß mit der Schuhspitze an einen der letzten Kartons, beugte
sich vor: „Oh, geheim, interessant.“
    In Ahrendts Kopf brodelte es. Was hatte der
hier zu suchen? Woher kannte er die Adresse?
    „Überrascht? Fragen Sie mich doch einfach.“
    „Also, wie kann ich Ihnen helfen? Haben Sie
vielleicht noch Material, das Sie uns übergeben möchten?“
    Gallert zog die Mundwinkel hoch: „Nicht in
diesem Leben.“
    Gallert, nur noch eines Armeslänge von Ahrendt
entfernt, tänzelte immer noch, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher