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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid
Autoren: Stephen King
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zerkleinert, dass es geschluckt werden konnte. Es war kein richtiges Fleisch mehr, sondern ein ›organischer Brei‹, wie Cathcart sich ausdrückte. Jemand anders hätte es vorkauen können, aber es ist unwahrscheinlich, dass er es Cogan danach in den Hals stopfte, denn dann hätte es nicht so ausgesehen, als sei er daran erstickt. Kannst du mir folgen?«
    Sie nickte erneut.
    »Außerdem meinte Cathcart, dass zu Brei gekautes Fleisch kaum mit einem Instrument zu bewegen sei. Wenn man es aus dem Mund in die Kehle schieben wollte, würde es sich auflösen. Mit dem Finger würde es gehen, aber Cathcart meinte, wenn es so gewesen wäre, hätte es Indizien dafür gegeben, am ehesten gedehnte Bänder im Kiefer.« Vince hielt inne, dachte nach, schüttelte den Kopf. »Es gibt einen Fachausdruck für dieses Kieferausrenken, aber ich habe ihn vergessen.«
    »Erzähl ihr, was Robinson dir gesagt hat«, forderte Dave ihn auf. Seine Augen leuchteten. »Letzten Endes hat es nicht mehr gebracht als der Rest, aber ich fand es ungemein interessant.«
    »Robinson meinte, es gebe bestimmte Muskelrelaxanzien, einige seien ganz selten, mit denen Cogans Mitternachtsimbiss hätte versetzt sein können«, sagte Vince. »Vielleicht bekam er die ersten Bissen gut runter, in seinem Magen war schließlich etwas verdautes Fleisch, und beim letzten Bissen merkte er plötzlich, dass er nicht mehr schlucken konnte.«
    »Das muss es gewesen sein!«, rief Stephanie. »Jemand hat das Fleisch vergiftet und sah zu, wie er erstickte! Als Cogan tot war, lehnte ihn der Mörder gegen die Mülltonne und nahm den Rest vom Steak mit, damit es nicht untersucht werden konnte! Es war gar keine Möwe! Es …« Sie unterbrach sich, schaute die beiden an. »Warum schüttelt ihr den Kopf?«
    »Wegen der Obduktion, mein Mädchen«, antwortete Vince.
    »Es fand sich nichts dergleichen bei der Gaschromatographie.«
    »Aber wenn es ein richtig seltenes Gift war …«
    »So wie bei Agatha Christie?«, fragte Vince mit einem Zwinkern und lächelte. »Nun, vielleicht … aber vergessen wir nicht das Stück Fleisch in seinem Hals.«
    »Ach ja, natürlich. Dr. Cathcart hat es untersucht, nicht wahr?« Stephanie sackte in sich zusammen.
    »Ah jo«, stimmte Vince zu. »Hat er. Auch wenn wir am Ende der Welt leben, haben wir durchaus dunkle Gedanken. An dem zerkauten Fleisch war keinerlei Gift, nur ein bisschen Salz.« 
    Kurz schwieg Stephanie. Dann sagte sie mit leiser Stimme:
    »Vielleicht war es ein Gift, das sich auflöst.«
    »Ah jo«, machte Dave und schob die Zunge in die Wange.
    »Wie die Lichter an der Küste nach ein, zwei Stunden.«
    »Oder die restliche Crew der Lisa Cabot«, fügte Vince hinzu.
    »Nach der Überfahrt mit der Fähre hat ihn keiner mehr gesehen.«
    »Nein«, bestätigte Vince. »Wir haben fünfundzwanzig Jahre lang gesucht und nie eine Menschenseele gefunden, die behauptet hat, ihn vor Johnny und Nancy gegen Viertel nach sechs am Morgen des 24. April gesehen zu haben. Und nur fürs Protokoll – nicht dass einer eins führt –, aber ich glaube nicht, dass jemand das restliche Steak stahl, nachdem Cogan am letzten Bissen erstickt war. Ich glaube, dass eine Möwe den Rest aus seiner leblosen Hand stibitzte, genau wie wir immer vermutet haben. Mensch noch mal, ich muss mich wirklich beeilen!«
    »Und ich muss mit diesen Rechnungen weitermachen«, sagte Dave. »Aber zuerst ist wohl ein kleiner Abstecher zur Toilette angesagt.« Mit diesen Worten bewegte er sich gen WC.
    »Ich denke, ich muss an meiner Kolumne arbeiten«, sagte Stephanie. Dann kam es halb lachend, halb ernst aus ihr heraus:
    »Fast wäre mir lieber, wenn ihr mir nie davon erzählt hättet, wo ihr mich jetzt so hängen lasst! Das wird mir noch wochenlang im Kopf herumgeistern!«
    »Es ist fünfundzwanzig Jahre her und geistert uns immer noch durch den Kopf«, gab Vince zurück. »Jetzt weißt du wenigstens, warum wir es nicht dem Typen vom Globe erzählt haben.«
    »Ja. Auf jeden Fall.«
    Lächelnd nickte er. »Du machst das gut, Stephanie.
    Du wirst schon zurechtkommen.« Er klopfte ihr herzlich auf die Schulter und steuerte dann auf die Tür zu, nahm im Vorbeigehen das schmale Notizbuch von seinem überfüllten Schreibtisch und stopfte es sich in die Gesäßtasche. Er war neunzig und hatte noch immer einen federnden Schritt. Sein Rücken war vom Alter nur leicht gebeugt. Er trug ein weißes Businesshemd, auf dessen Rücken sich die Hosenträger kreuzten. Mitten im Raum hielt er
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