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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid
Autoren: Stephen King
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der wegen eines mutmaßlichen Schatzes umgebracht und dann in seinem eigenen Blut auf dem Vorderdeck liegen gelassen wird, nachdem die anderen Matrosen über Bord geworfen wurden – und warum? Als Warnung an andere Möchtegern-Schatzjäger, du lieber Himmel! Na, das ist mal ein Seil zum Festhalten, was, mein Mädchen?«
    Dave grinste, doch dann wurde er ernster. »Das alles fehlt im Fall von Colorado Kid; es gibt keine Schnur, auf die sich die Perlen fädeln ließen, verstehst du? Ist ja auch kein Sherlock Holmes oder Ellery Queen da, um sie aufzureihen. Nur zwei alte Zeitungshasen, die jede Woche rund hundert Meldungen bringen müssen. Keine davon schlägt große Wellen, verglichen mit dem Boston Globe , aber trotzdem wollen die Leute auf der Insel sie lesen. Wo wir gerade dabei sind: Wolltest du nicht mit Sam Gernerd reden? Damit du alles über seine berühmte Heuwagenfahrt mit anschließendem Picknick erfährst?«
    »Wollte ich … ich bin … natürlich will ich das! Könnt ihr das glauben? Dass ich tatsächlich mit ihm über dieses blöde Fest reden will?«
    Vince Teague lachte laut los, Dave fiel ein.
    »Ah jo«, sagte Vince, als er sich wieder beruhigt hatte.
    »Keine Ahnung, was dein Lehrer an der Journalistenschule davon halten würde, Steffi, wahrscheinlich würde er weinend zusammenbrechen, aber ich verstehe das.« Er schaute Dave an.
    »Wir verstehen das.«
    »Und ich weiß, dass ihr noch zu tun habt, aber ihr müsst doch gewisse Theorien haben … irgendwelche Hypothesen … nach so vielen Jahren.« Flehend schaute Stephanie vom einen zum anderen. »Ich meine, ihr müsst doch …«
    Die beiden Männer tauschten einen Blick aus, und wieder spürte sie die Telepathie zwischen ihnen, nur dass sie diesmal nicht wusste, welcher Gedanke transportiert wurde. Dave sah sie an. »Was genau willst du wirklich wissen, Stephanie? Raus mit der Sprache!«
     

18

    »Glaubt ihr, dass er ermordet wurde?« Das wollte sie eigentlich wissen. Die beiden hatten Stephanie gebeten, den Gedanken außen vor zu lassen, und sie hatte gehorcht, aber da das Gespräch über Colorado Kid nun so gut wie vorbei war, nahm sie an, dass sie das Thema wieder aufs Tapet bringen durfte.
    »Warum hältst du das für wahrscheinlicher als einen Unfalltod, wenn du alles in Betracht ziehst, was wir dir erzählt haben?«, wollte Dave wissen. Er klang ehrlich interessiert.
    »Wegen der Zigaretten. Die Zigaretten muss er absichtlich mitgenommen haben. Er wäre nur nicht auf die Idee gekommen, dass es anderthalb Jahre dauern würde, bis jemand die Steuermarke aus Colorado entdeckt. Cogan glaubte, dass ein Toter ohne Papiere Gegenstand einer größeren Ermittlung sein würde.«
    »Ja«, bestätigte Vince. Er sprach mit leiser Stimme, schüttelte dabei aber die geballte Faust wie ein Zuschauer, der gerade miterlebt, wie ein Spieler einen wichtigen Spielzug macht oder einen Superball schlägt.
    »Gut, die Kleine. Gut aufgepasst!«
    Auch wenn Stephanie erst zweiundzwanzig war, gab es Menschen, denen sie übel genommen hätte, von ihnen so genannt zu werden. Dieser Neunzigjährige mit dem schütteren weißen Haar, dem schmalen Gesicht und den durchdringenden blauen Augen gehörte nicht dazu. Ganz im Gegenteil wurde sie rot vor Freude.
    »Cogan konnte nicht wissen, dass er an zwei Hohlköpfe wie O’Shanny und Morrison geraten würde«, sagte Dave. »Er konnte nicht wissen, dass er auf einen Studenten angewiesen sein würde, der in den vergangenen Monaten lediglich Aktentaschen geschleppt und Kaffee geholt hatte, ganz zu schweigen von den beiden Opis von der Wochenzeitung, die nicht viel mehr als eine Supermarktbeilage war.«
    »Jetzt mal vorsichtig, Bruder«, sagte Vince. »Da muss ich widersprechen.« Er hob die Fäuste.
    »Es hat doch noch geklappt«, sagte Stephanie. »Letztendlich hat er es geschafft.« Dann dachte sie an die Frau und den kleinen Michael, der inzwischen Mitte zwanzig sein musste.
    »Seine Frau auch. Ohne Paul Devane und euch hätte Aria Cogan niemals Geld von der Versicherung bekommen.«
    »Das stimmt«, willigte Vince ein. Stephanie fand es niedlich, dass es ihm irgendwie unangenehm war. Nicht dass er Erfolg gehabt hatte, sondern dass es jemand wusste. Hier draußen gab es Internet, auf so gut wie jedem Haus stand eine Satellitenschüssel, kein Fischerboot fuhr ohne GPS aus dem Hafen, und doch hielten sich die alten calvinistischen Überzeugungen hartnäckig in den Köpfen: Lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte
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