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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid
Autoren: Stephen King
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Weglaufen, aber die fällt ja wohl eher unter den Oberbegriff ›Geld‹.«
    »Hatte er Probleme mit Drogen oder Alkohol?«
    »Aria Cogan verneinte es, und ich denke, sie hätte es gewusst. Und da sie sechzehn Monate Zeit hatte und er längst tot war, glaube ich, dass sie es mir gesagt hätte.«
    »Aber, Steffi«, warf Dave vorsichtig ein, »wenn man es recht bedenkt, muss es schon irgendwas mit Wahnsinn zu tun haben, meinst du nicht?«
    Sie dachte an James Cogan oder Colorado Kid, der tot am Hammock Beach mit dem Rücken an der Mülltonne leimte, ein Stück Fleisch in der Kehle, die geschlossenen Augen auf Tinnock und das Meer gerichtet. Sie dachte daran, dass die Finger der einen Hand gekrümmt gewesen waren, als umfasse er noch immer den Rest seines Mitternachtssnacks, ein Stück Steak, das eine hungrige Möwe ihm zweifellos gestohlen hatte, so dass nur noch ein klebriges Sandmuster auf der fettigen Innenfläche seiner Hand zurückgeblieben war. »Ja«, sagte sie. 
    »Irgendetwas hat es mit Wahnsinn zu tun. Wusste sie das? Seine Frau?«
    Die beiden Männer sahen sich an. Vince seufzte und rieb sich die messerscharfe Nase. »Möglicherweise, aber sie musste sich um ihr eigenes Leben kümmern, Steffi. Um ihres und das ihres Sohnes. Wenn ein Mann einfach so verschwindet, hat es die zurückgelassene Frau verdammt schwer. Sie konnte in ihren alten Job zurück, bei einer Bank in Boulder, aber das Haus in Nederland konnte sie nicht halten –«
    »Hernando’s Hideaway«, murmelte Stephanie und empfand Mitleid für die Frau.
    »Ah jo, genau das. Sie schlug sich wacker, musste sich nicht allzu viel Geld von der Familie leihen, von seiner schon gar nicht, aber sie brauchte so gut wie alle Ersparnisse auf, die sie für die Ausbildung des kleinen Michael zur Seite gelegt hatten. Als wir sie trafen, Stephanie, wollte sie meiner Meinung nach zweierlei: etwas Praktisches und etwas, das man vielleicht … spirituell nennen könnte.« Skeptisch blickte er Dave an, der mit den Schultern zuckte und nickte, als wolle er sagen, das Wort würde schon passen.
    Vince nickte ebenfalls und fuhr tort: »Sie wollte die Ungewissheit loswerden. Lebte er noch oder war er tot? War sie eine verheiratete Frau oder eine Witwe? Durfte sie die Hoffnung aufgeben oder weiterhoffen? Vielleicht klingt die letzte Frage etwas hartherzig, mag sie auch sein, aber ich denke, dass Hoffnung nach sechzehn Monaten eine verdammt große Last ist, die schwer auf den Schultern wiegt.
    Was das Praktische anging, das war einfach: Sie wollte, dass die Lebensversicherung zahlt. Ich weiß, dass Aria Cogan nicht der einzige Mensch auf der Welt ist, der Versicherungen hasst, aber bei ihr ging das schon ziemlich weit, so abgrundtief war ihr Hass. Sie hatte sich am Riemen gerissen, war über die Runden gekommen, zusammen mit Michael in der Drei- oder Vierzimmerwohnung in Boulder, eine beträchtliche Umstellung nach dem schönen Haus in Nederland, sie musste ihn tagsüber betreuen lassen, von Babysittern, denen sie nicht unbedingt vertrauen konnte, sie hatte eine Stelle, die sie eigentlich nicht mochte, lag nachts allein im Bett, nachdem sie sich jahrelang an jemanden hatte kuscheln können, machte sich Sorgen über die Rechnungen, sah immer auf die Tankanzeige, weil Diesel damals schon teuer war … und die ganze Zeit war sie im Innersten überzeugt, dass er tot war, aber die Versicherung wollte nicht zahlen, weil es keine Leiche gab und schon gar keine Todesursache. Sie fragte mich immer wieder, ob ›die Schweine‹ – so nannte sie die Leute von der Versicherung – sich irgendwie ›davonstehlen‹ könnten, ob sie sich mit Selbstmord herausreden konnten. Ich sagte ihr, dass ich noch nie von jemandem gehört hätte, der seinen eigenen Erstickungstod mit Hilfe eines Stücks Fleisch herbeigeführt hätte, und als sie später in Cathcarts Gegenwart das Totenbild offiziell identifizierte, erklärte er ihr dasselbe. Das schien ihr ein wenig Ruhe zu verschaffen. Cathcart legte sich schwer ins Zeug, sagte, er würde den Versicherungsvertreter in Brighton, Colorado, anrufen und das mit den Fingerabdrücken und der Identifizierung per Foto erklären. Er wollte alles niet-und nagelfest machen. Sie musste ein bisschen weinen – ein wenig aus Erleichterung und aus Dankbarkeit, ein bisschen vor Erschöpfung, nehme ich an.«
    »Ja, sicher«, murmelte Stephanie.
    »Ich fuhr mit ihr auf der Fähre nach Moosie und brachte sie im Red Roof Motel unter«, sagte Vince.
    »Da hast
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