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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid
Autoren: Stephen King
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stockdunkel, als er von Bord ging, warum sollte sich also jemand an ihn erinnern? Die anderen Passagiere – und zu der Jahreszeit waren es nicht viele, schon gar nicht auf der letzten Fähre – werden direkt zu ihren Autos auf dem Parkplatz in der Bay Street gegangen sein, den Kopf eingezogen, weil der Wind vom Meer herüberblies.«
    »Sie erkundigte sich nach seiner Brieftasche«, erzählte Dave.
    »Wir konnten ihr nur sagen, dass sie nie gefunden wurde … zumindest wurde sie nie bei der Polizei abgegeben. Es ist möglich, dass ein Dieb sie ihm auf der Fähre aus der Tasche stahl, das Geld herausnahm und die Börse über Bord ins Wasser warf.«
    »Es ist auch möglich, dass im Himmel schwer was abgeht, aber nicht sehr wahrscheinlich«, warf Vince trocken ein. »Wenn er Geld im Portemonnaie hatte, warum sollte er dann noch mehr – siebzehn Dollar in Scheinen – in der Hosentasche haben?«
    »Für alle Fälle?«, schlug Stephanie vor. 
    »Vielleicht«, willigte Vince ein, »aber das leuchtet mir nicht ein. Und ehrlich gesagt, finde ich die Vorstellung, dass ein Taschendieb die Sechs-Uhr-Fähre zwischen Tinnock und Moosie heimsucht, noch unwahrscheinlicher, als dass ein Illustrator aus einer Werbeagentur in Denver ein Flugzeug chartert und damit nach Neuengland fliegt.«
    »Wir konnten ihr jedenfalls nicht sagen, wo sein Portemonnaie war«, schloss Dave, »genauso wenig wussten wir, wo sich sein Mantel und seine Anzugjacke befanden oder warum er lediglich in Hemd und Hose draußen am Strand war.«
    »Und die Zigaretten?«, fragte Stephanie. »Das hat sie doch bestimmt interessiert.«
    Vince lachte bellend. »›Interessiert‹ ist leicht untertrieben. Die Zigarettenschachtel machte sie fast wahnsinnig. Sie konnte sich nicht erklären, warum er Zigaretten dabeihatte. Und sie brauchte uns nicht zu sagen, dass er nicht zu der Sorte Mensch gehörte, die eine Zeit lang mit dem Rauchen aufhört und dann wieder anfängt. Cathcart hatte seine Lunge bei der Obduktion gründlich untersucht, du wirst bestimmt wissen, warum –«
    »Er wollte sichergehen, dass Colorado Kid nicht doch ertrunken war?«, fragte Stephanie.
    »Genau«, sagte Vince. »Wenn Dr. Cathcart Wasser in der Lunge gefunden hätte, wäre das ein Hinweis gewesen, dass jemand versucht hatte, die wahre Todesursache von Cogan zu verschleiern. Zwar noch kein Beweis für einen Mord, aber sicherlich ein Indiz. Cathcart fand jedoch kein Wasser in Cogans Lunge und er fand auch keinen Hinweis auf Zigarettenkonsum. Alles rosa und sauber, sagte er. Doch irgendwo zwischen seinem Büro und dem Flughafen Stapleton muss Cogan, obwohl er es unglaublich eilig hatte, den Fahrer gebeten haben anzuhalten, um sich eine Schachtel zu kaufen. Oder aber er hatte sie von Anfang an dabei, was ich eher glaube. Vielleicht zusammen mit der russischen Münze.« 
    »Hast du ihr das gesagt?«, fragte Stephanie.
    »Nein«, erwiderte Vince und in dem Moment klingelte das
    Telefon. »Entschuldigt mich«, sagte er und hob den Hörer ab. Das Gespräch dauerte nicht lange, er sagte mehrmals »Ah jo« und legte dann auf. »Das war Ellen Dunwoodie«, verkündete er und streckte den Rücken durch.
    »Sie ist jetzt bereit, über ihr großes Trauma zu sprechen, weil sie den Hydranten umgefahren und ›sich zum Affen gemacht hat‹. Das waren ihre Worte. Ich glaube allerdings nicht, dass sie in meiner atemberaubenden Schilderung des Zwischenfalls auftauchen werden. Nun, ich glaube, ich muss gleich mal rüber; mir die Geschichte anhören, solange Ellen sich noch klar erinnern kann und bevor es Abendessen gibt. Ich kann von Glück sagen, dass sie und ihre Schwester immer so spät essen. Sonst habe ich meistens Pech.«
    »Und ich muss mich unbedingt um die Rechnungen kümmern«, verkündete Dave. »Ich habe das Gefühl, dass da jetzt zehn mehr liegen als eben, bevor wir zum Grey Gull aufgebrochen sind. Ich schwöre es: Wenn man sie allein auf dem Schreibtisch liegen lässt, vermehren sie sich wie die Karnickel.«
    Voller Entsetzen starrte Stephanie die beiden an. »Ihr könnt doch jetzt nicht aufhören! Ihr könnt mich doch nicht so sitzen lassen!«
    »Wir haben keine Wahl«, gab Vince freundlich zurück. »Wir sitzen ja auch fest, Steffi, und das seit fünfundzwanzig Jahren. In dieser Geschichte gibt es keine verlassene Gemeindesekretärin.«
    »Und keine Lichter von Ellsworth, die von den Wolken reflektiert werden«, fügte Dave hinzu. »Nicht mal einen Teodore Riponeaux, einen armen alten Seemann,
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