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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel
Autoren: Mischa Martini
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das Dokument, in das Harry vertieft war, als ein Plan der Innenstadt.
    »Wo ist Grabbe?«, fragte Walde.
    »In der Pathologie.« Harry setzte einen Zeigefinger auf die Karte und zwinkerte Walde zu.
    »Wie bitte?« Walde wusste um die Empfindlichkeit seines Kollegen Grabbe. Die Pathologie gehörte ebenso wie Bootsfahrten und Hubschrauberflüge zu den Dingen, die dem zart Besaiteten Übelkeit bereiteten oder ihn einer Ohnmacht nahe brachten.
    »Da hat einer im Kutscherhaus der Kurie gehockt«, nuschelte Gabi, die Zigarette mit gefährlich langer Asche im Mundwinkel hängend, das linke Auge zugekniffen. »Der Gärtner war einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.«
    »Und vielleicht auch zu neugierig«, ergänzte Walde, dem wieder sein Vortrag einfiel, den er am nächsten Tag halten sollte. Es war der Bericht über einen versuchten terroristischen Anschlag auf das Stadtfest im vergangenen Jahr. Die Trierer Kripo hatte in letzter Minute den großen Knall während des Finales eines Marathons mit Massenankunft am römischen Stadttor Porta Nigra vereiteln können.
    »Und was wollte der Große Unbekannte auf dem Dachboden?«, fragte Gabi.
    »Wahrscheinlich den Domkapitular observieren«, sagte Harry.
    »Die Vernehmungen haben überhaupt nichts gebracht?« Walde deutete mit dem Daumen hinter sich zum Flur.
    »Zum zweiten Mal: nein, obwohl ziemlich klar ist, dass die Täter durch die zur Zeit renovierte Kapelle unter der Heiltumskammer in den Dom eingedrungen sind.« Gabi balancierte ihre Zigarette zum Aschenbecher.
    »Und wo sind sie nachher raus?«, fragte Walde.
    »Sie haben die Schlüssel des Domkapitulars mitgenommen. Entweder so, wie sie gekommen sind, oder durch den Seiteneingang zur Windstraße oder durch den Domkreuzgang. Vielleicht findet sich über die Presse jemand, der was in der Nacht beobachtet hat oder …«
    Es klopfte und Polizeipräsident Stiermann öffnete mit Schwung die Tür. »Gibt es schon was Neues? Der Oberbürgermeister hat mich gerade angerufen. Er lässt schöne Grüße an Herrn Bock ausrichten.«
    »Danke.« Walde hatte eine Ehrung aufgrund der Verhinderung des Attentats auf das Stadtfest und der spektakulären Entsorgung einer Bombe ablehnen können. Nun hatte der OB zusammen mit dem Polizeipräsidenten zu dem am nächsten Tag beginnenden Treffen der International Police Association nach Trier eingeladen. Walde hatte die zweifelhafte Ehre, auf dieser Veranstaltung einen Vortrag halten zu dürfen.
    »Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Mord an dem Gärtner und dem Raub in der Domschatzkammer?« Der Polizeipräsident schaute ihn fragend an.
    »Vieles deutet darauf hin, dass der Domkapitular mehrere Tage lang observiert wurde. Das klärt zur Zeit die Technik ab«, half Monika aus.
    »Der OB ist in höchster Sorge wegen des Ausfalls einer weiteren Touristenattraktion und fragt, natürlich mit dem notwendigen Verständnis für unsere Ermittlungen, ob es erste Ermittlungsergebnisse gibt und wann der Dom wieder für den Publikumsverkehr freigegeben werden kann.« Der Polizeipräsident deutete eine devote Verbeugung an, wobei er die Hände wie zum Gebet zusammenlegte, bevor er sich auf einem freien Stuhl am Tisch niederließ.
    »Die Maschinerie läuft gerade erst an. Die Täter haben mehr als acht Stunden Vorsprung und was den Dom angeht, ist das hauptsächlich eine Angelegenheit der Technik. Das ganze Gebäude muss durchsucht werden. Das ist im Dom ja nicht gerade ein Pappenstiel. Hinzu kommt die Kurie des Domkapitulars Prof. Dr. Adams mit allein dreitausend Quadratmetern Garten, einem herrensitzähnlichen Anwesen und mehreren Nebengebäuden«, erklärte Walde.
    Stiermann scharrte mit seinen Cowboystiefeln, die er von seinem letzten Besuch in Fort Worth mitgebracht hatte, über die Holzdielen. »Es wundert mich, dass sich der Bischof noch nicht gemeldet hat.«
    »Der weilt zur Zeit am See Genezareth«, gab Monika Auskunft.
    *
    »Wo willst du hin?«, rief Gabi ihm nach, als Walde im Hof des Polizeipräsidiums in seinen Wagen stieg.
    »Hab ich doch vorhin gesagt, zum Dom.«
    »Nimmst du uns mit?«
    Gabis Absätze bohrten sich in die Erdkrümel auf der Fußmatte, die von Doris’ Laufschuhen stammten. Ihr Lederrock knisterte auf dem Sitzpolster. Harry stieg hinten zu. Während Walde durch das Tor auf die Straße fuhr, klappte Gabi die Sonnenblende herunter und hielt ihr Gesicht dicht vor den Spiegel.
    Walde bremste bei Gelb vor der Ampel. Gabi zog den Lippenstift nach und schob eine Kassette
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