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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg
Autoren: Béla Bolten
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er Rösen das Gespräch. Seine Sorge erwies sich als unbegründet. Dr. Wilhelm Zegg war um einiges älter als seine Frau, Daut schätzte ihn auf mindestens fünfundvierzig Jahre. Er trug eine angesichts der schwülen Hitze unpassende graue Strickjacke und wirkte eher wie ein subalterner Beamter als ein erfolgreicher Arzt. Die Praxisräume, in die er die beiden Polizisten führte, erweckten einen schäbigen Eindruck. Daut hakte in Gedanken seine Frage ab, ob Zahnärzte Reichtümer aufhäufen könnten. Als Rösen Zegg eröffnete, dass seine Frau Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war, blitzte für eine Sekunde etwas wie Trauer in seinen Augen auf, machte aber augenblicklich wieder einem gleichgültigen Blick Platz.
    Als sie den Großen Stern passiert hatten, fragte Daut:
    »Was hältst du von Zegg?«
    Rösen kurbelte am Lenkrad und nahm gleichzeitig die Zigarette aus dem Mund. »Ein seltsamer Vogel ist er auf jeden Fall. Anscheinend war es ihm völlig gleichgültig, dass seine Frau, mit der er immerhin ein paar Jahre verheiratet war, brutal ermordet wurde.«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Daut. »Mir kam es eher so vor, als wundere es ihn nicht. Mich störte mehr seine Verschwiegenheit. Der Kerl weiß mehr, als er uns gesagt hat.«
    »Meinst du, er könnte der Täter sein?«
    »Du weißt selbst, dass die Wahrscheinlichkeit dafür spricht. Wie viele Fälle, die zuerst mysteriös aussehen, erweisen sich später als Familiendramen? Andererseits sind derartige Opa-Typen selten Mörder. Wir sollten ihm noch mal auf den Zahn fühlen, wenn er begriffen hat, dass seine Frau ihn nicht mehr unter Druck setzen kann.«
    Rösen lachte auf. »Du hast recht. Mir kam es auch so vor, dass er ziemlich unter dem Pantoffel steht.«
    »Stand, mein Lieber. Stand.«

    Es dämmert bereits, als Rösen den Wagen in die Brandenburgische Straße lenkte. Er parkte an der Ecke Paderborner Straße. Sie schlenderten zur Hausnummer 13, einem sechsstöckigen Bau aus der Kaiserzeit, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Der Putz unter den Fensterbänken blätterte, und das Schaufenster des Schuhgeschäfts im Erdgeschoss war fast blind. Sie betraten das Ladenlokal, und es dauert nur Sekunden, bis ein grauhaariger Mann Mitte sechzig im Arbeitskittel aus der hinteren Werkstatt kam. Er wischte sich die Hände an der grauen Schürze vor seinem Bauch ab und fragte dienernd, was die Herren wünschten.
    »Nur eine Auskunft«, sagte Daut und bemerkte den Blick des Schusters, der auf den Fleck auf dem Lederhandschuh starrte, der durch Dauts Reinigungsversuche eher dunkler geworden war. Das edle Stück sah mitgenommen aus.
    »Wir sind auf der Suche nach Inge Wilhelmi.«
    »Nie gehört«, brummte der Mann.
    »Sind sie sicher?«, mischte sich Rösen ein. »Nach unseren Informationen wohnt sie hier.«
    Der amtliche Ton zeigte fast immer Wirkung - auch jetzt. Der Schuster zuckte zusammen und beugte leicht den Rücken.
    »Am besten fragen Sie den Blockwart. Wenn diese Frau hier wohnt, wird er es wissen. Oder klingeln Sie bei Frau Senft, der neugierigen Schnepfe entgeht nichts.«
    Sie hatten den Laden schon fast verlassen, als der Schuster mehr brummte als artikulierte:
    »Ich würde es mit Sattelfett probieren. Wirkt immer.«
    Auf Rösens fragenden Blick schüttelte Daut nur den Kopf.
    Der Blockwart war nicht zu Hause, und so stiegen sie in den dritten Stock und klingelten an der Wohnung von Cordula Senft. Den zur Tür schlurfenden Schritten nach musste es eine ältere Frau sein, umso überraschter war Daut, einer Mittdreißigerin gegenüberzustehen. Er hatte selten eine so unattraktive Frau gesehen. Das Haar hing in stumpfen Strähnen herunter, die Zähne waren gelb vom Nikotin, und auf der Bluse leuchteten rote Flecken, als hätte sie Kirschen entkernt.
    »Wat jibst?«, knurrte sie, und den Polizisten schlug eine Wolke aus Nikotin und billigem Fusel entgegen.
    Daut hielt ihr den Dienstausweis vors Gesicht, als könne er sich damit gegen die Ausdünstungen schützen, und fragte direkt nach Inge Wilhelmi.
    »Kenn ick nich. Wohnt hier nich.«
    Als sie die Tür zuschlagen wollte, setzte Rösen seinen Fuß dazwischen.
    »Sind Sie sicher? Wir haben andere Informationen.«
    »Mir doch ejal, wat ihr habt, Männeken. Wenn ick saje, dat ick keene Inge Dingsbums nich kennen tu, dann kenn ick die nich. Is dat klar? Im übrijen: Det hier wa mal een ehrenwertes Haus. Is aber schon länger her. Heute kannsse nich sicher sein, wer dir allet auf der Treppe bejegnet. Loofen so
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