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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg
Autoren: Béla Bolten
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preisgeben.«
    »Ja, du hast recht, Gustav. Aber lass uns das nicht überbewerten. Absolute Sicherheit gibt es ohnehin nicht.«

    Schweigend erledigten sie die weitere Hausarbeit. Was gab es auch noch zu sagen. Die Unsicherheit war Teil ihres Lebens geworden. Wer garantierte ihnen, dass nicht einer ihrer Freunde sie morgen an die Gestapo verriet? Erna schüttelte diesen Gedanken ab. Wie sollte man weiterleben, wenn man hinter jedem vertrauten Gesicht Verrat witterte. Sie taten, was sie konnten, um sich abzusichern. Vor allem mussten sie mehr werden. Viel mehr! Nur dann könnten sie etwas bewirken. Luise war kein Unsicherheitsfaktor, da war sich Erna sicher. Wie weit sie bereit wäre zu gehen, war eine andere Frage. Aber das wusste man nie. Wer hätte geahnt, dass aus dem Ringer Werner Seelenbinder ein so aktiver Gegner der Verbrecherbande würde. Erna säuberte das Waschbecken und drehte dabei den Kopf zu ihrem Mann, der die alte Zuckerdose, die sie als Hochzeitsgeschenk von seiner Mutter bekommen hatten, fast zärtlich in den Schrank stellte.
    »Hast du gemerkt, wie gut sich Luise mit Werner verstanden hat?«
    »Ja, es ist kaum zu glauben, wie einfühlsam dieser Koloss sein kann. Wir sollten ihn darin bestärken, auf unsere neue Freundin einzuwirken. Ihm war es ja auch nicht in die Wiege gelegt, Flugschriften herzustellen und zu verteilen.«
    Gustav ging ins Wohnzimmer und begann, die Stühle zurechtzurücken, die wahllos im Raum standen, als hätten die Gäste die Wohnung fluchtartig verlassen.
    »Sag mal«, rief er in die Küche hinüber, »konntest du mit Werner und Harro über den Jungen sprechen?«
    Luise trat ebenfalls in die gute Stube und half ihrem Mann.
    »Nur kurz, sie werden sich kümmern. Harro hat mit Kurt gesprochen. Er glaubt, dass die Genossen dem Jungen helfen werden, wenn wir ihn als Kurier einsetzen. Mir ist zwar nicht wohl dabei, aber was bleibt uns anderes übrig.«
    »Es wird schon gut gehen, meine Liebe. Wir müssen die Genossen verstehen. Das Risiko ist groß, das geht man nur ein, wenn es noch einen anderen Grund gibt, als nur das Leben eines Menschen zu retten.«
    Luise spürte einen Stich. Sie wusste, dass Gustav recht hatte, und trotzdem konnte sie nicht glauben, dass er so über das Schicksal ihres Buben sprach. Wurden sie nicht langsam wie die anderen, denen ein Leben - sogar das eines geliebten Menschen - immer weniger wert war? Bevor sie etwas erwidern konnte, fragte ihr Mann: »Wie spät ist es?«
    Luise nickte stumm, was Aufforderung genug war, den schweren Koffer aus dem Buffetschrank zu holen. Gustav ächzte, als er ihn auf den Tisch wuchtete. Er klappte den Deckel auf und betätigte einen Schalter an dem darin eingebauten schwarzen Kasten. Ein rotes Lämpchen glimmte auf.
    »Hoffentlich funktioniert das Ding überhaupt«, sagte Luise, während sie ihrem Mann zärtlich über den Arm streichelte.
    »Findest du nicht, dass es langsam gefährlich wird, tagein, tagaus die gleichen Worte zu senden? Irgendwann müssen doch selbst die Dümmsten von der Abwehr begreifen, um was es geht.«
    »Was sollen wir sonst tun, so lange wir nicht wissen, ob uns jemand hört? Ich hoffe nur, dass Harro bald einen anderen Funker findet.«
    Gustav war für diese Aufgabe ungeeignet. Nie im Leben hatte er sich für Technik interessiert. Er war ein Schöngeist, aber das zählte jetzt nicht. Luise faltete den abgegriffenen Zettel auseinander und legte ihn auf den Tisch. Gustav begann, langsam und rhythmisch die Tasten zu drücken. Man hörte nur noch das Klacken des Hebels, der hoffentlich das Morsesignal in die Welt sandte.

Acht

    Rösen jagte den P4 im zweiten Gang über die Ost-West-Achse in Richtung Großer Stern. Vor zwei Jahren hatte man zum Geburtstag des Führers die Siegessäule vom Königsplatz am Reichstag hierher versetzt. Jetzt glänzte die Goldelse auf ihrem erhöhten Sockel in der Sonne. Von einer »Via Triumphalis« hatten die Zeitungen geschrieben, von Germania, der Welthauptstadt. Vom angestrebten Glanz sah man im Moment nicht viel. Nur wenige Autos waren unterwegs. Die Benzinrationierung zwang die meisten Leute, den Wagen stehen zu lassen. Daut war es recht, so kamen sie schnell voran. Der Tag war ohnehin ohne Ergebnisse verstrichen. Vor allem die Befragung des Ehemanns der Toten hatte nichts Konkretes ergeben. Daut hatte mit gehörigem Respekt an der Tür geklingelt. Man wusste nie, wie Angehörige auf eine Todesnachricht reagierten, und er war kein guter Seelsorger. Deshalb überließ
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