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Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth

Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth

Titel: Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth
Autoren: Paul Preuss
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zog.
    Lydia hatte den Kopf so voller Gedanken, daß sie im Sternenlicht den vertrauten Anblick vor sich kaum wahrnahm, die riesigen Felsen des Noctis Labyrinthus – dem Labyrinth der Nacht. Die Schichten aus rotem und gelbem Sandstein waren in diesem Halbdunkel zu Streifen aus Grau und Schwarz geworden, auf denen stellenweise eine dünne, grellweiße Schicht lag. Das Weiße war Eis, Permafrost, das verborgene Wasser, das an warmen Morgen das Labyrinth mit dünnen Dampfwolken füllte, das Wasser, das den Mars bewohnbar machte, von dem alles Leben und Treiben abhing.
     
    Türme und spektakuläre Gesteinsbögen zeichneten sich vor einem Himmel mit hartblauen Sternen ab – Hunderte von Türmen, angeordnet in zackigen Reihen, die im Schulterschluß auf einen Horizont zumarschierten, der eigentlich nah hätte sein sollen, sich aber in sanftem Dunst wie in einer chinesischen Tuschemalerei verlor, einem Dunst aus stehendem, mikroskopischem Staub. Lydia stand ruhig da und bewegte sich kaum, während der wohltuende Wind den feinen Sand um sie herum aufwirbelte.
    Mit der Zeit bemerkte sie vor dem Lichtschein des Interplanetary Hotels eine weitere Silhouette, die ebenfalls dastand und den Himmel betrachtete.
    Lydia kannte den Mann. Selbst unter der Maske des Druckanzugs war die große, schlanke Gestalt von Khalid Sayeed leicht zu erkennen. Er blickte auf den fernen Horizont, wo zwischen den Sternen zwei hellere Lichter schimmerten. Eines der beiden bewegte sich langsam auf den östlichen Horizont zu: die Marsstation, die hoch genug über dem Planeten kreiste, um das Licht der Sonne einzufangen. Das andere Licht wanderte ebenfalls, aber zu langsam, um seine Bewegung in einer einzigen Nacht erkennen zu können: der Planet Jupiter.
    Lydia glaubte zu wissen, was Khalid betrachtete – nicht Jupiter, sondern etwas weit hinter diesem Planeten, weit entfernt, dunkel und unsichtbar, das aber jeden Tag dem Mars ein Stück näher kam.
    Sie bemerkte eine Bewegung. Die Hauptschleuse am Hoteleingang öffnete sich, und für kurze Zeit hob sich die Silhouette einer Gruppe von Touristen vor der Hotellobby ab, die lautlos im Innern der Druckröhre lachten. Sie liefen kurz in trunkener Verwirrung durcheinander, dann entdeckten sie eine Abzweigung, die sie in den unteren Teil der Stadt führte. Sie wandte sich ab, sah aber noch, wie der Hotelmanager ihnen nach draußen folgte. Lydia konnte Wolfgang Prott nicht ausstehen. Er war ein öliger Charmeur, der klug genug war, die Finger von den hiesigen Frauen zu lassen, aber ständig eine Touristin im Arm hatte. Seine Romanzen dauerten im Schnitt so lange wie die übliche Pauschalreise.
    Labyrinth City war eine Kleinstadt. Die Menschen, die hier lebten, kannten sich zu gut. Man versuchte, es mit einem Scherz abzutun, aber manchmal war es schwierig, zu tun, was man wollte oder mußte, wenn einem dabei der ganze Planet über die Schulter sah.
     
    Dare Chin kehrte in sein Büro zurück und tippte auf seiner Komverbindung die Nummer der Einsatzzentrale für den Patrouillendienst ein. Er hatte nicht vor, ein Risiko einzugehen – zuallererst hatte er Morland zu verstehen gegeben, daß er unter Beobachtung stand; auch wenn das nur teilweise stimmte. Jetzt wollte Chin die Wachmannschaft durch schöne Worte oder Druck dazu bringen, so lange einen sinnvollen Schutz für die Tafel bereitzustellen, bis Morland den Planeten wieder sicher verlassen hatte.
    Er hatte gerade zwei Zahlen des dreistelligen Codes eingetippt, als er unten etwas hörte.
    Chin ließ den Rest des Codes ungetippt und lief den Gang zurück bis zur Treppe. Langsam und so leise wie möglich stieg er die Stufen hinab. Er hoffte, Morland in einem unachtsamen Augenblick zu erwischen.
    Als er aus dem Treppenhaus in die Halle trat, blieb er verdutzt stehen.
    Was er sah, überraschte ihn. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen –
    – aber Dare Chin hatte seine letzten Worte bereits gesprochen.
     
    Eine Stunde verging. Die verschlafene Stadt wurde noch stiller. Jupiter leuchtete immer noch hell, aber die Marsstation war hinter dem östlichen Horizont untergegangen. Niemand blickte über das Labyrinth, als der Mond Phobos sich über den Rand des Schutzbogens der Stadt schob, um der Marsstation in ihrer Bahn über den Himmel zu folgen. Niemand sah den weißglühenden Feuerstreifen, der oben vom Felsrand sprang.

TEIL
1
EINTRITT IN DAS LABYRINTH

1
    Im Land der Nacht gibt es keine klaren Identitäten, keine verläßlichen Koordinaten, keine
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