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Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth

Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth

Titel: Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth
Autoren: Paul Preuss
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und glitzerte unter den Scheinwerfern. Die silbrige Platte war mit einer unvorstellbaren Kraft aus einem größeren Stück gebrochen worden. Alles, was ihr in den folgenden Milliarden Jahren widerfahren war, hatte nicht einen haarfeinen Kratzer auf ihr hinterlassen. Die perfekte Oberfläche, in der Chin jetzt seine Gesichtszüge betrachtete, bewies, daß es keine Kopie aus Metall oder Plastik war, und als er sie anhauchte und sah, wie sein Atem das Spiegelbild verwischte, wußte er, daß es kein Hologramm war. Es war die echte Tafel.
    Morland fauchte ihn immer noch an. »Ich hoffe, Ihnen ist klar«, sagte er so giftig, wie er konnte, »daß die Feuchtigkeit Ihres stinkenden Atems auf dieser Oberfläche meine gesamte Arbeit von heute abend zunichte gemacht hat. Jetzt kann ich stundenlang warten, bis ich …«
    Chin richtete sich auf. »Halten Sie den Mund.«
    »Ich denke nicht daran. Ich …«
    »Ich habe mit verschiedenen Leuten über Sie gesprochen, Morland. Gestern zum Beispiel mit dem Musée de l’Homme«, sagte Chin, ohne auf Morlands atemlosen Monolog zu achten. »Heute morgen mit der Universität von Arizona. Vor einer Stunde mit dem Museum für Antike Werte in New Beirut.« Er hielt Morland die gelben Faxgramme vor die Nase.
    Zum erstenmal, seit Chin die Halle betreten hatte, hörte Morland auf zu reden und betrachtete die Faxe argwöhnisch. Lesen wollte er sie offenbar nicht. »Also gut, Chin. Ich finde Ihr primitives Gehabe nach wie vor unmöglich, aber zumindest verstehe ich jetzt Ihre jämmerliche Entschuldigung«, sagte er wesentlich ruhiger. »Ich möchte Sie daran erinnern, daß die Strafe für üble Nachrede recht deutlich festgelegt ist im Allgemeinen Recht …«
    »Ich denke nicht daran, irgend jemandem von Ihnen zu erzählen, Morland«, sagte Chin kalt. »Sie befinden sich auf dem Mars.« Er nickte zur nächsten Glaswand. »Außerhalb dieser Wand gibt es keinen nennenswerten Sauerstoff. Die Temperatur heute nacht beträgt minus 50 Grad. Unser Drucksystem muß ständig gewartet werden, dennoch versagt es von Zeit zu Zeit. Sollte das irgendwo in Ihrer Nähe passieren, werden Sie sich Ihren Druckanzug schnappen müssen – Sie haben ihn doch dabei, oder?« Chin hatte bereits gesehen, daß das nicht der Fall war. »Nein? Viele Besucher machen diesen Fehler – meistens ist es ihr letzter. Und selbst wenn Sie den Anzug dabeihaben, können Sie nie ganz sicher sein, daß er nicht ein Leck hat. Vielleicht sehen Sie sich Ihren einmal ganz genau an, wenn Sie ihn wieder in der Nähe haben.« Chin versetzte Morlands offenem Aktenkoffer einen Stoß mit dem Fuß, ohne ihn anzusehen. Der Koffer war groß genug für die Tafel oder eine Kopie und sicher groß genug für einen Mini-Holoprojektor und andere raffinierte Submikrogeräte. »Ich hoffe, Sie haben verstanden. Ich habe kein Interesse daran, Ihren Ruf zu ruinieren. Ich wollte Ihnen nur einen fachmännischen Rat geben.«
    Chin drehte Morland den Rücken zu und verließ die Halle. Er wartete darauf, daß Morland etwas hinter ihm herbrüllte, aus Angst oder Protest. Aber Morland schwieg. Vielleicht hatte er tatsächlich verstanden.
     
    Für das, was sie jetzt erwartete, mußte Lydia Zeromski allein sein, daher hatte sie ihren Helm versiegelt und war gleich nach draußen in die eiskalte Nacht gegangen.
    Ringsum erstreckte sich Labyrinth City, ein Durcheinander aus Glas. Abgesehen von dem hell erleuchteten Komplex des Mars Interplanetary Hotels kam das einzige Licht aus dem Innern der Druckröhren und der Nachtbeleuchtung der dunklen Gebäude, Hunderten von kleinen Halbkugeln, die wie Quallen hinter geriffeltem grünem Glas leuchteten.
    Sie blieb stehen und drehte sich um. Sie konnte Morland deutlich im Innern der Zentralkuppel der Rathaushalle erkennen. Er war über die Platte gebeugt und offenbar in seine Forschungen vertieft. Hoch über der Kuppel wurde der Widerschein seiner Lampen vom Sandsteingewölbe zurückgeworfen, das die Oberstadt schützte. Sie suchte Dare in seinem Büro. Das Licht brannte, aber im zweiten Stock regte sich nichts.
    Sie wandte sich ab und ging weiter bis zum Rand des Felsvorsprungs. Dort wartete sie und lugte in die Dunkelheit. Der untere Teil der Stadt erstreckte sich über den Felshang wie eine Handvoll dahingeworfener Kristalle. Zwischen den steilen Treppen, den dichtgedrängten Häusern und dem rötlichen Lichtschein der nächtlichen Weinkneipen schwankte ein einziges gelbes Licht – Old Nutting, die eilig ihre Runden
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