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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
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gegeben. Zumindest weiß ich von keinem. »Moment mal, wollen Sie damit sagen, dass Sie die Erinnerung aller Menschen in Romen verändert haben?«
    »Nicht ganz.« Er schluckt den Rest seines Whiskeys. »Wir haben sie nur ein bisschen angepasst. Wenn Leute versuchen, sich an deine Familie zu erinnern, dann wird ihnen das nur verschwommen gelingen. Laut deiner Geschichte bist du nun ein Einzelkind, und deine Eltern haben die Erlaubnis erhalten, sich in der Nähe des Konvents niederzulassen … falls jemand überhaupt Nachforschungen über dich anstellen sollte. Aber das wird sowieso nicht passieren.«
    »Ihr habt alles verschwinden lassen«, hauche ich.
    »Dank der Ausgangssperre ist es leicht, eine Nacht anzupassen«, sagt er und nimmt einen Bissen von seinem Steak. »Bestimmt klingt das in deinen Ohren fürchterlich, aber es gibt keinen Grund, eine Massenpanik auszulösen.«
    »Sie meinen«, ich beuge mich näher an ihn heran und flüstre beinahe, »es gibt keinen Grund, den Leuten mitzuteilen, dass Sie ihre Nachbarn ermordet haben.«
    Das boshafte Grinsen verschwindet aus seinem Gesicht. »Eines Tages wirst du verstehen, Adelice, dass alles, was ich tue, zur Sicherheit der Menschen geschieht. Ich nehme es nicht auf die leichte Schulter, eine ganze Stadt zu säubern, und es ist nicht einfach. Die wenigsten Webjungfern haben das Talent dazu. Es wäre gut, wenn du im Kopf behalten würdest, dass ich diesen Befehl deinetwegen geben musste.«
    »Ich dachte, Arras müsste sich um Sicherheit keine Sorgen machen. Ist das nicht der Grund, warum Sie Mädchen wie mich brauchen?« Ich umklammere das Messer neben meinem Teller.
    »Wie ich schon sagte, deine Unwissenheit ist wirklich entzückend.« Aber er sieht nicht mehr amüsiert aus. Im Gegenteil, seine schwarzen Augen funkeln vor unterdrückter Wut. »Webjungfern sorgen für Sicherheit, indem sie meine Befehle ausführen. Es geht um mehr als Webstühle und Partys. Die Gilde erwartet Loyalität. Das darfst du nie vergessen.«
    Sein Tonfall ist warnend, ich sollte es jetzt wirklich nicht weitertreiben. Also entspanne ich meine Hand, und das Messer sinkt klappernd auf den Teller.
    »Ich hoffe, du hast genug gegessen«, sagt er schnippisch und erhebt sich von seinem Stuhl. Offensichtlich genügen zwei Bissen, um ihn versöhnlich zu stimmen.
    Ich folge ihm. Ich habe ja keine Wahl.
    Vor einigen Jahren wurde ein Mädchen aus unserer Nachbarschaft als Abweichlerin denunziert. Das kommt selten vor, da in Arras auffälliges Verhalten sofort streng geahndet wird. Aber mein Vater hat mir erzählt, dass ab und zu ein Kind beschuldigt und mitgenommen wird. Er sagte, dass sie manchmal wieder zurückkommen, meist jedoch nicht. Das kleine Mädchen kam wieder, aber von da an wirkte sie benommen, nie ganz anwesend. So werden auch meine Nachbarn sein, wenn sie an mich denken. Es wird so sein, als existiere ich nicht, und auch die Drogen können den stechenden Schmerz nicht betäuben, der mir bei diesem Gedanken bis in die Fingerspitzen fährt.
    Das Essen war eine freundliche Geste, wie ich später erfahre, denn wir haben überhaupt keinen festen Transfertermin. Wir brauchen keine Reservierungen. Ich bin hin- und hergerissen zwischen Schuldgefühlen, weil er nett zu mir war, und der Frage, was ihn wohl dazu veranlasst haben mag. Ich folge Cormac, der einfach durch die Reihen der Wartenden hindurchgeht. Einige murren, aber die anderen bringen sie schnell zum Schweigen.
    »Ich brauche zwei Plätze«, teilt Cormac dem Mann hinter dem Schalter mit und hält ihm seine Privilegienkarte unter die Nase.
    Zweifellos weiß der Mann, wer Cormac ist, aber er nimmt die Karte und sieht sie sich kurz an, bevor er einen Code in die Komkonsole, das in die Wand hinter ihm eingebaute Kommunikationssystem, eintippt. Kurz darauf tritt eine junge Frau in einem schicken himmelblauen Anzug aus dem Gang hinter dem Schreibtisch hervor und führt uns an dem Schalter vorbei.
    »Botschafter Patton, wünschen Sie für den Transfer eine Erfrischung?« Sie scheint nur aus Lächeln und rosa Lippenstift zu bestehen.
    »Ich habe schon gegessen, danke.« Er zwinkert ihr zu.
    Mich fragt sie nicht.
    Cormacs Transferabteil ist direkt vor meinem, und ich erwarte schon fast, dass er ohne ein einziges Wort durch die Tür verschwindet, aber er dreht sich um und mustert mich ein letztes Mal von oben bis unten. »Adelice, ruhe dich während des Transfers aus.«
    Ich blicke zur Wand am Ende des Korridors. Er benimmt sich wie mein Vater.
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