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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
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gedacht hat. Ich denke an seine Drohung und zwinge mich, fröhlich auszusehen.
    Der Wagen ist länger als alle Motopakts, die ich je in Romen gesehen habe. Etwas Derartiges gab’s für mich bisher nur im Stream. Motopakts sind Alltagsautos, mit denen man in die Metro fährt, aber Wagen wie dieser hier haben einen Chauffeur. Ich halte den Blick fest auf das Fahrzeug gerichtet. Bis dorthin muss ich kommen, dann hat diese Schmierenkomödie ein Ende. Ein Wachmann drängt mich zur hinteren Tür und hilft mir beim Einsteigen. Hinter der geschlossenen Tür, die mich vor der jubelnden Menge schützt, höre ich sofort auf zu lächeln.
    »Schon sehr viel besser«, brummt Cormac, als er neben mir auf den Sitz rutscht. »Wenigstens bist du die letzte Einberufung.«
    »War ein langer Tag, was?«, antworte ich schnippisch.
    »Nein, aber ich habe wirklich keine Lust, dich noch länger mitzuschleifen«, erwidert er und gießt sich einen bernsteinfarbenen Drink ein. Mir bietet er keinen an.
    Ich verfalle in Schweigen. Mitschleifen. Das Bild des Leichensacks, der wie zufällig auf unserem Esszimmerboden herumliegt, taucht wieder in meinem Kopf auf – Tränen steigen mir in die Augen.
    Ich starre aus dem Fenster, damit er mich nicht weinen sieht. Durch die getönte Scheibe können die Leute uns nicht mehr sehen, aber sie laufen trotzdem noch draußen herum. Nachbarn unterhalten sich aufgeregt und zeigen auf unser Haus. Viele halten den Kopf gesenkt, um anderen die Neuigkeiten über Komplant mitzuteilen. In Romen hat es zehn Jahre lang keine Einberufung mehr gegeben. Morgen werde ich in Romens Nachrichten-Stream sein. Ich frage mich, was sie wohl über meine Eltern und meine Schwester sagen werden.
    Cormac schüttet die letzten Tropfen seines Cocktails runter. Dann dreht er den Kopf zur Seite, um einen Anruf entgegenzunehmen. »Ja«, schnaubt er. Dann schweigt er, aber seine gelangweilte Miene nimmt schon bald einen Ausdruck leichter Verärgerung an.
    »Macht es sauber«, sagt er. »Nein, macht alles sauber.«
    Er senkt den Kopf erneut, um die Verbindung zu trennen, und sieht mich an. »Du Glückliche.«
    Ich zucke mit den Schultern, da ich meine echten Gefühle lieber vor ihm verbergen will. Ich bin nicht sicher, was sauber machen heißen soll, aber wenn man den Tonfall bedenkt, in dem er den Befehl geblafft hat, will ich es vielleicht auch besser gar nicht wissen.
    »Oh, du hast keine Ahnung«, sagt er. »Wie geht’s deinem Bein?«
    Ich sehe an mir herab zu den Wunden, die die Klaue gerissen hat, und entdecke, dass sie völlig verschwunden sind.
    »Ganz gut, denke ich.« Vergeblich versuche ich, mir meine Verblüffung nicht anmerken zu lassen.
    »Ein Erneuerungspflaster. Eine der zahlreichen Vorteile, die du als Webjungfer genießt.«
    Ich antworte nicht, und er wendet sich wieder der Kristallglasflasche zu, um sich einen weiteren Drink einzuschenken. Mein Blick wandert zum Fenster. Wir sind jetzt fast aus Romen heraus, und es ist schwer, sich vorzustellen, dass ich nie wieder hierher zurückkehren werde. Meine Sicht verschwimmt, und die Augen fallen mir zu. Die Drogen, die sie mir verabreicht haben, machen mich schläfrig. Kurz bevor meine Augen sich schließen, verschwindet die Straße hinter uns, schimmert noch einmal und löst sich dann im Nichts auf.

    Einer der Männer rüttelt mich wach und gibt mir ein Paar Schuhe, als wir die Nilus-Station erreichen. Ein anderer begleitet mich zur Toilette und steht Wache. Anschließend führt man mich in einen kleinen Ankleideraum, in dem ich ein einfaches, weites weißes Gewand anziehen soll. Meine alten Sachen nehmen sie mir weg. Ich ziehe mich so langsam wie möglich an und versuche, den Nebel in meinem Kopf zu durchdringen.
    Bald kann ich es nicht mehr aufschieben, bald muss ich in die Station hinaus. Die Nilus-Station liegt in der Hauptstadt des westlichen Sektors und transferiert Reisende in die drei anderen Hauptstädte von Arras. Sie wird streng bewacht. Nur die allerwichtigsten Geschäftsleute dürfen zwischen den Sektoren hin und her reisen – jemandem wie meinem Vater ist es zum Beispiel nicht gestattet. Bis heute habe ich das Stadtgebiet von Romen noch nie verlassen. Ich sollte aufgeregt und glücklich sein, aber ich verspüre nur dumpfen Schmerz bei dem Gedanken daran.
    Cormac hat es sich in einem türkisfarbenen Sessel vor dem Ankleideraum bequem gemacht.
    »Warst du schon mal in einer Transferstation, Adelice?«, fragt Cormac im Plauderton, während er aufsteht, um mich zu
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