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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
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einzigen Finger zu rühren. Weil dieser Prozess so kompliziert ist, ist er den wichtigsten Personen in Arras vorbehalten. Der genaue Vorgang wurde vor ein paar Jahren mal in einer Doku im Stream erklärt.
    Das Licht verblasst, und langsam – zu langsam – entstehen Bruchstücke grauer Wände um mich herum. Das Leuchten des Transferprozesses erlischt, und an seine Stelle treten Wände aus Beton. Es dauert eine Ewigkeit, bis alle Strahlen verblasst sind. Als der letzte in der Wand verflackert, wird mir zu meiner Erleichterung der Helm abgenommen.
    Eine Reihe festlich gekleideter Beamter umringt mich. Derjenige, der mir den Helm abgenommen hat, wird zögerlich, als es daran geht, die Schnallen um meine Handgelenke zu lösen. Gerade als ich ihm sagen will, dass sie von der unsanften Reise geschwollen sind und schmerzen, tritt ein sehr junger blonder Mann in einem teuren Anzug vor und hebt die Hand. Sein Kopf ist zur Seite geneigt, er unterhält sich über sein Komplant. Trotz des geringen Alters scheint er hier das Sagen zu haben. Er ist die Art von Junge, auf den meine Klassenkameradinnen kichernd abfahren würden, wenn sie ihn im Bulletin sehen würden. Aber sogar aus der Nähe empfinde ich lediglich Neugier.
    »Gebt ihr Beruhigungsmittel.«
    »Bitte?« Der Wachmann ist erstaunt.
    »Sie will, dass sie betäubt wird«, sagt der blonde Junge im Befehlston. »Möchtest du sie nach dem Grund dafür fragen?«
    Der Wachmann schüttelt den Kopf, aber als ein Arzt mit einer Spritze vortritt, sehe ich in seinen strahlend blauen Augen, dass es ihm leidtut.

DREI
    A ls ich acht Jahre alt war, hat Beth, das Mädchen von nebenan, ein Vogelnest gefunden, das auf die Trennlinie zwischen ihrem und unserem Hof gefallen war. Ich durfte ihren Hof nicht betreten, und sie ist auch nie zu mir herübergekommen. Scheinbar hat s ie die Trennlinie im Kopf weitergeführt und auf all unsere Handlungen ausgedehnt, denn sie zog eine starre Grenze zwischen uns, zu Hause, in der Akademie und auf öffentlichen Spielplätzen, wo wir mit den Nachbarskindern spielten. Beth sorgte dafür, dass auch die anderen Kinder nicht mit mir sprachen, also blieb ich für mich. Durch ihr Verhalten wurde ich in ihrer Gegenwart schüchtern und zog mich immer weiter in mich zurück. Und so schaute ich auch damals nur zu, wie sie das Nest mit einem Stock an der Linie entlang hin und her schob. Ich sagte nichts, bis ich die blauen Sprenkel sah, als das Nest sich überschlug.
    »Hör auf.« Ich sprach leise, aber unsere Straße war wie immer ruhig, und sie hob den Kopf und starrte mich an, ohne den Stock zu bewegen.
    »Was hast du gesagt?«, fragte sie in einem Ton, der mich zum Schweigen, nicht zum Reden bringen sollte.
    Was auch immer dieses kleine blaue Aufblitzen in mir angestoßen hatte, ich hielt an dem Gefühl fest und wiederholte meine Forderung lauter.
    Beth kam langsam näher an die Linie, übertrat sie aber nicht. Stattdessen hob sie das Nest mit ihrem Stock an und schleuderte es grob auf meine Seite. »Bitte schön«, sagte sie zickig. »Dann nimm doch dein tolles Nest. Es macht sowieso keinen Unterschied, die Mutter wird nicht wiederkommen. Sie wollen ihre Eier nicht mehr, wenn jemand sie angefasst hat.«
    Ich spürte Hass in mir aufsteigen, blieb aber auf meiner Seite und beobachtete schweigend, wie sie ins Haus zurückkehrte. Nur einmal schaute sie sich zu mir um, kurz bevor sie die Tür öffnete. Ihr Blick war zornig. Ich starrte das Nest eine Weile an. Zwei Eier lagen daneben im Gras. Ich dachte an mich und Amie: zwei Spatzenschwestern. Ich sammelte altes Laub vom Hof, um meine bloßen Hände damit zu bedecken, bevor ich die Eier aufhob und an ihre Plätze in dem Nest zurücklegte. Dann hob ich das Nest wieder in den Baum im Hof. Aber die kleine Geste besänftigte den brennenden Zorn in mir nicht.
    Während ich das Nest beobachtete und meine Unfähigkeit, die zarten Leben darin zu retten, mich zunehmend in Wut versetzte, begannen die Fasern des Gewebes um mich herum lebendig zu leuchten. Der Baum und das Nest verschwammen, wie in einem kostbaren Wandteppich. Die Fasern wollten berührt werden, und ich griff zu und nahm sie mit meinen Fingern in Empfang. Obwohl ich die Materie des Lebens schon früher gesehen hatte, sah ich nun zum ersten Mal die horizontal gespannten goldenen Bänder und die bunten Fäden, die sie umranken und dabei unsere Wirklichkeit bilden. Die Lichtbänder flackerten ein wenig, und ich sah, dass sie sich langsam von dem vor mir
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