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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Autoren: Unbekannter Autor
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recht verführerisch waren.
    »Sie geben Ihr Pferd bei unseren eingefleischten Junggesellen ab? Wie schön, wenn Sie dort sind, drücken Sie doch bitte das hier Edgar persönlich in die Hand«, hatte Sir George gesagt. »Vertrauen Sie es ja keinem anderen in diesem hoffnungslosen Etablissement an! Warum nicht? Ich bin ja nicht oft in der Junggesellenwohngemeinschaft, aber das letzte Mal fand ich dort zwei Telegramme auf dem Kaminsims vor. Eins war ein Jahr alt und das andere - Tod und Teufel! - beinahe zwei Jahre. Beide ungeöffnet, und eins davon war von mir! Dies hier könnte wichtig sein, und ich will nicht, dass es sein Ziel verfehlt.«
    Joe widerstrebte das. Er wusste, wenn er abgefangen wurde, wäre es so gut wie unmöglich, ein zweites Frühstück zu vermeiden, das zu einem oder zwei Drinks führte und zu einem Vormittag voll von belanglosem Tratsch, der in ein Mittagessen mündete und unmerklich in einen Nachmittag überging, bei dem man sich träge um den Snookertisch bewegte. Joe fragte sich, ob er sich der Villa von hinten nähern, das Pferd aushändigen und das Telegramm einem Diener in die Hand drücken konnte, um sich dann diskret zurückzuziehen. Er nahm sich vor, genau das zu versuchen. Doch zwecklos. Kaum war er in den Hof geritten, da wurde auch schon ein Fenster aufgerissen, und eine fröhliche Stimme begrüßte ihn.
    »Sie müssen den Kaffee gerochen haben, Sandi-lands!« Das gastfreundlich strahlende Gesicht von Jackie Carlisle tauchte im Fenster auf. »Kommen Sie an Bord, und erzählen Sie uns brühwarm die neuesten Nachrichten! Die Reichen und Mächtigen leihen Ihnen ihr Ohr, und Sie müssen uns in dieser ansonsten ereignislosen Stadt einfach etwas Interessantes zu erzählen haben.«
    Joe wusste, dass er in der Falle saß. Jackie führ fort: »Vor kurzem hörte ich jemand sagen: >Wo Sandi-lands ist, folgen die Schwierigkeiten auf dem Fuße.< Kommen Sie schon, Joe, werden Sie Ihrem Ruf gerecht - kurbeln Sie unser ödes Leben an.«
    Zögernd reichte Joe das Pferd einem Syce, der herbeigeeilt war, sobald er die Hufe auf dem Kies gehört hatte. Wie Joe bereits herausgefunden hatte, kamen die Stallburschen in der Junggesellenwohngemeinschaft ihrer Arbeit gewissenhaft nach, aber die Hausdiener, von denen es mehrere gab und deren Zahl sich von Tag zu Tag zu ändern schien und von zwei bis zehn reichte, erledigten ihre Pflichten im Tempo ihrer Dienstherren. Joe begab sich ins Haus und machte sich auf den Weg zum Frühstückszimmer. Wenigstens hier herrschte Ordnung. Der Tisch war für vier gedeckt, mit Bergen von Brot und Obst und einer großen, dampfenden Schüssel Porridge. Dazu eine riesige Kanne Kaffee - guter Kaffee. Darauf konnte man sich verlassen. Drei der Bewohner hatten sich bereits um den Tisch versammelt, in ihre üblichen zerknitterten, weißen Leinenanzüge gekleidet. Jackie Carlisle trat in einem seidenen Hausmantel ein und ging zur Anrichte. Joe sah ehrfürchtig zu, wie Jackie sich einen Drink einschenkte und ihn mit einem einzigen Schluck leerte. Jackies Augen traten hervor, und sein ohnehin purpurnes Gesicht nahm einen noch dunkleren Farbton an. Er röchelte schwer, als ob er um Luft rang.
    »Großer Gott!«, rief Joe beeindruckt. »Was war denn das, Jackie?« Er wartete, während Jackie weiterhin keuchte.
    »Herrje, lockere doch mal jemand sein Korsett«, murmelte Edgar.
    »Das ist das Einzige, was mich dieser Tage noch am Laufen hält«, brachte Jackie schließlich hervor. »Wollen Sie auch was?«
    »Ich würde vorher gern wissen, was es ist«, erwiderte Joe wachsam.
    Edgar schritt ein. »Rühren Sie das verdammte Zeug bloß nicht an! Es ist Wermut. Absinth.«
    »Absinth?« Joe war überrascht. »Ich dachte, Absinth ist illegal?«
    »Ist er auch.« Jackie wischte sich den Mund ab und sah sich unbestimmt um. »Glaube ich zumindest.«
    »Sollte es auch sein«, erklärte Bertie Hearne-Robinson, »früher oder später bringt es ihn um.«
    Edgar nahm das Glas und schnupperte daran. »Das ist doch gar nichts. Als ich in der russischen Armee war, einverleibten es sich die meisten meiner Mitoffiziere nasal.«
    »Edgar, ist das linguistisch überhaupt möglich?«, wollte Joe wissen.
    »Wahrscheinlich nicht, aber körperlich sehr wohl! Habe es mehrmals miterlebt. Sie gossen sich eine kleine Tasse ein und schnupften das Zeug. Jackie mag schlimm sein, aber so schlimm ist er nun auch wieder nicht. Noch nicht.«
    »Das ist die Langeweile«, verkündete Johnny Bristow. »Der arme, alte Kerl. Wer
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