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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Autoren: Unbekannter Autor
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proper ausgesehen haben, denn wir hatten vierundzwanzig Stunden lang nichts zu essen. Wir wurden, blinzelnd im Sonnenlicht, zu zwei bewaffneten Kerlen geführt. Ein Engländer und sein indischer Bursche. Der Engländer war von sehr beeindruckender Gestalt, aber leider jemand, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, der also für mich nicht von Nutzen war. Er war groß und schlank, mit einer or-dentlichen Taille, einem gleichermaßen ordentlichen Schnurrbart und dieser autoritären, hochnäsigen Art, die ihr Briten so gut beherrscht. Er drehte sich zu uns um und bedachte uns mit einer ordentlichen Portion davon. Jemand mit so viel Selbstvertrauen konnte niemand anderes sein als der frisch ernannte Vertreter der britischen Regierung am Hof von Ranipur, Claude Vyvyan, dachte ich mir. Kennen Sie ihn, Joe?«
    Joe schüttelte den Kopf.
    »Tja, er kannte mich jedenfalls nicht. Seine eisig blauen Augen glitten mit demselben Interesse über mich hinweg, das er einem Haufen Kamelscheiße entgegengebracht hätte, aber er lebte ein wenig auf, als er den Brigadier sah. >Monty! Was zum Teufel?< Der Brigadier tanzte vor Erleichterung. Sie kannten sich gut, und gleich darauf folgten unsere Freilassung und Erklärungsversuche. Und natürlich, wie nicht anders zu erwarten, gab man Edgar Troop die Schuld! Meine Jagderfahrung wurde entschieden in Frage gestellt, und es ergoss sich eine endlose Litanei: >Wie zum Teufel war so eine dumme Sache nur möglich? Monty, alter Junge, zukünftig kommst du mit so was immer zu mir!< Da beschloss ich, mich zu behaupten. Ich blickte, wie ich glaubte, geringschätzig, verächtlich und gerissen zum Himmel auf und machte eine Bemerkung in der Art: >In Ranipur ist der Höhepunkt der Entenjagd die so genannte Long-Pond-Treibjagd, und ich kann Ihnen sagen - die wilden Enten schwirren ab wie ein verdammter Spatzenhaufen! Es ist wirklich höchst eindrucksvoll, wenn sie sich in Bewe-gung setzen.< Ich richtete diese Bemerkung an niemand Besonderen. >Warum glauben Sie wohl, treibt man die Enten von Ost nach West und richtet die Waffen dabei nach Süden, wenn man sie von Norden nach Süden treiben und jeder einen zweiten, dritten oder gar vierten Schuss landen könnte?< Der indische Bursche in europäischer Kleidung, der an Vyvyans Seite stand und zuhörte, gab mir Antwort.
    Zu meinem Erstaunen antwortete er in perfektem, akzentfreiem Englisch: >Sagen Sie das noch mal. Klingt nach einer interessanten Idee - vielleicht ein wenig sehr offensichtlich.< Tja, mir wurde bewusst, dass es sich bei ihm um eine Person von einiger Bedeutung handeln musste, also sagte ich: >Besorgen Sie mir einen Drink, und ich wiederhole es gern für Sie.< Wie Sie wahrscheinlich schon erraten haben, handelte es sich bei diesem unbedeutenden Burschen um den Maharadscha von Ranipur. Ohne große Diskussion übernahm er meine überarbeitete Version der Long-Pond-Hetzjagd. Es funktionierte hervorragend, genau so, wie ich es vorhergesagt hatte, und Udai war ziemlich beeindruckt. Von diesem Moment an konnte ich in seinen Augen nichts falsch machen - obwohl wir von Zeit zu Zeit immer noch unsere Meinungsverschiedenheiten hatten. Wenn ich in Ranipur bin, stellt er mir ein Gästehaus zur Verfügung, und obwohl Ranipur seine Residenz ist, hat er noch andere Wohnsitze. Wenn er den Förmlichkeiten des Hofes entgehen will, zieht er in einen abgelegeneren Teil seines Reiches, und ich durfte ihn oft begleiten.«
    Joe betrachtete das Telegramm erneut und runzelte die Stirn. »Und das erlaubt ihm, Sie aus einer Laune heraus zu sich zu beordern?«
    »Ziemlich schneidend formuliert, nicht? Aber das Telegramm hat keinesfalls Udai geschickt. Das ist eher Claudes Stil. Für gewöhnlich schickt er die Telegramme. Claude. Der Vertreter der britischen Regierung, von dem ich Ihnen erzählt habe.«
    »Vertreter der britischen Regierung?«, erkundigte sich Joe. »Das klingt politisch.«
    »Ja, so läuft das mit autonomen Bundesstaaten. Die Herrscher haben allesamt Verträge mit der britischen Regierung unterzeichnet. Sie unterstützen die Krone, und dafür überlassen wir ihnen weitestgehend die Regierungsgeschäfte vor Ort. Aber für den Fall der Fälle entsenden wir einen zuverlässigen Beamten oder Militär von Rang und Namen, der in dem betreffenden Bundesstaat residiert und dafür sorgt, dass der Herrscher auf dem Pfad der Tugend wandelt. Er ist eine Art ständiger Botschafter.«
    »Und dieses System funktioniert?«, fragte Joe zweifelnd. »Autokraten wie den
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