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Clementine

Clementine

Titel: Clementine
Autoren: Sara Pennypacker
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angeknabbert. Ich weiß nicht, wie Margret das schafft. Sie suchte sich einen hellgrünen aus und färbte meine Haare, und dann malte sie Locken auf meine Stirn und in meinen Nacken.
    »Keine spitzen Striche«, mahnte ich. »Nur runde.«
    Als ich an spitze Striche dachte, fielen mir Margrets Spangen wieder ein. »Wie fühlt sich das an? Die haben bestimmt ganz viele spitze Enden.«
    »Gar nicht, die fühlen sich himmlisch an«, sagte Margret. »Die haben keine spitzen Enden. Die sind so weich wie Kaninchenohren. Wie Babykaninchenohren! So ein Pech, dass du keine hast.« Sie zog die Lippen ganz weit auseinander, um mir beim Reden immerzu ihre Zähne zu zeigen, und deshalb war es gar nicht so leicht, sie zu verstehen.
    Aber ich verstand sie trotzdem.
    »Ich krieg auch welche«, sagte ich. »Nächste Woche.«
    Dann setzte ich meine Mütze wieder auf und rannte ganz schnell nach unten in unsere Wohnung, weil das keine Lüge bleiben sollte.
    »Ich brauche Spangen für meine Zähne«, sagte ich zu meiner Mom. »Die sind wunderschön und fühlen sich ganz toll an.«
    »Erstens«, sagte meine Mutter, »fühlen sie sich überhaupt nicht ganz toll an. Anfangs jedenfalls nicht. Margrets Mutter war vorhin hier und hat gefragt, ob wir noch Medikamente von neulich haben, als dein Bruder Zähne bekommen hat. Sie hat gesagt, dass Margret den ganzen Weg nach Hause geweint hat.«
    Diese Margret!
    »Ich will trotzdem welche. Nächste Woche.«
    »Und zweitens brauchst du keine. Deine Zähne sind ohnehin schon gerade.«
    So was Gemeines hatte ich ja noch nie gehört.
    »Ich merke aber, wie sie sich biegen«, sagte ich. Und plötzlich merkte ich das wirklich. »Wir sollten lieber gleich einen Termin machen.«
    Dann, noch ehe meine Mom zu Drittens kommen konnte, was meistens am schlimmsten ist, hörte ich, wie mein Bruder aus dem Mittagsschlaf aufwachte.
    »Ich komme schon, Rettich«, rief ich ihm zu.
    »Wocken gehn?«, fragte er, als ich in sein Zimmer kam.
    »Sei froh, dass ich deine große Schwester bin«, sagte ich zu ihm. Das muss ich ihm jeden Tag einschärfen, weil er es immer wieder vergisst. Wir gingen in die Küche und ich nahm den Wok aus dem Schrank. »Als ich klein war, hat niemand so einen Trick für mich erfunden.«

    Dann kletterte er in den Wok und packte die Handgriffe und ich drehte ihn, so schnell ich konnte. Er wirbelte herum und knallte gegen die Schränke. Dann stieg er aus und torkelte durch die Gegend, bis er umkippte, und das findet er immer wahnsinnig komisch.
    »Mehr!«, schrie er.
    Aber ich drehte ihn nicht noch einmal. Bei der zweiten Runde kotzt er immer und das muss dann jemand wegwischen und ich bin das N-I-C-H-T. Ich nicht. So was nennt man verantwortungsvolles Verhalten .
    Er kam auf mich zu, zog mir die Mütze vom Kopf und zeigte auf meine Haare. »Grün?«
    Und da dachte ich über etwas nach.
    Zuerst hat Margret glatte braune Haare gehabt und wir sahen uns überhaupt nicht ähnlich. Dann haben wir ihr die Haare abgeschnitten und rot angemalt und wir sahen uns irgendwie doch ähnlich. Dann bekam sie Spangen für ihre Zähne und wir sahen uns nicht mehr ähnlich. Aber bald würden ihre Zähne gerade sein und dann würden wir uns wieder ähnlich sehen. Nur hatte ich jetzt grüne Haare.
    Was, wenn wir uns niemals ähnlich sehen würden?
    Und was, wenn doch?

6. KAPITEL
    Donnerstagmorgen erwachte ich mit einer spektakulärmäßigen Idee. In der Hinsicht habe ich Glück – spektakulärmäßige Ideen tauchen einfach so in meinem Kopf auf. Das Geheimnis bei Ideen ist, dass du sie sofort packen musst, wenn sie in deinem Kopf herumhüpfen, sonst langweilen sie sich und hüpfen weiter. Also rief ich Margret an und sagte, ich hätte eine schöne Überraschung für sie und wir müssten im Bus ganz hinten sitzen.
    Es ist unfair, dass manchmal sogar spektakulärmäßige Ideen schiefgehen. Es ist auch unfair, dass Busfahrer dich ins Büro der Rektorin schicken dürfen.
    »Das ist nicht meine Schuld«, erklärte ich Rektorin Rice, noch ehe sie so einen Clementine-wie-konntest-du-Spruch bringen konnte. »Margret hat sehr rutschige Kopfhaut.«
    Frau Rice ließ sich in ihren Sessel fallen. Sie legte die Hände auf die Ohren und drückte zu, als ob ihr Gehirn aus ihrem Kopf springen wollte. Ein Teil von mir hätte das gern gesehen, der größere Teil sagte aber: Nicht heute, danke nein.
    »Margrets rutschige Kopfhaut ist hier nicht das Problem«, sagte sie. »Das Problem ist, dass du versucht hast deine eigenen Haare auf
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