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Clementine

Clementine

Titel: Clementine
Autoren: Sara Pennypacker
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werde so still sitzen, dass ihr denkt: He, ist das Clementine oder ist das nur ein Standbild von Clementine? , und ich werde nie wieder einen Zettel mit nach Hause bringen, auf dem steht Clementine hatte heute in der Schule einen schwierigen Tag, und ich werde Hunderte von Zetteln mit nach Hause bringen, auf denen steht Hey, Clementine passt in der Schule aber wirklich auf, und unter meinem Bett wird es aussehen wie unter dem Bett von normalen Leuten und meine Hände werden immer da sein, wo sie hingehören, und ich werde wieder Klavierunterricht nehmen, aber diesmal werde ich die ganze Zeit auf dem Hocker sitzen bleiben und …«
    Mir ging der Atem aus. Ich schnappte nach Luft.
    »Ich werde nicht mehr ich selbst sein. Und dann werde ich auch pflegeleicht sein, so wie Sellerie. Also braucht ihr mich nicht wegzugeben, ich weiß nämlich, dass ihr das tun wollt, ich hab doch gehört, wie ihr gesagt habt, dass ihr nur eins braucht, und dann hab ich gehört, wie ihr einen Kuchen bestellt habt, auf dem steht Lebwohl und fort mit Schaden, Clementine! «
    Meine Eltern kamen beide auf mich zugestürzt und rissen mich an sich, beide gleichzeitig – wie ein riesiges Sandwich. Dann nahmen sie meine Hände und gingen mit mir ins Wohnzimmer.
    Und da waren Margret und ihre Mutter und Mitchell, der meinen Bruder huckepack genommen hatte, und alle sahen mich an. Ich rieb mir das Gesicht, um sicherzugehen, dass keine Tränen mehr übrig waren, obwohl es mir ja egal war, was Mitchell dachte, weil er eben nicht mein guter Bekannter ist.
    Mein Bruder schrie: »Raschung!«, und alle anderen schrien: »Überraschung«, und dann traten sie beiseite, damit ich den Esszimmertisch sehen konnte.
    Und darauf stand wirklich ein Kuchen. Aber auf dem Kuchen stand nicht Lebwohl und fort mit Schaden, Clementine , darauf stand Lebwohl und fort mit Schaden über tausend Tauben aus Zuckerguss, und darunter stand: Danke, Clementine – Heldin des Großen Taubenkriegs!

    Oh!
    »Aber was war das mit dem Mehr-als-eins-brauchen-wir-nicht-Spruch«, sagte ich. »Was sollte das denn?«
    Meine Mom und mein Dad lächelten jetzt wirklich wie die Honigkuchenpferde.
    »Warte mal eben hier, Kumpel«, sagte Dad. Er ging in den Flur und kam mit einer großen Schachtel zurück. »Mach die mal auf.«
    Das tat ich. Und wisst ihr, was in der Schachtel saß?
    Ein Kätzchen. Echt!
    »Sie hatten nur noch eins«, sagte Dad. »Und da haben wir gesagt, mehr als eins brauchen wir auch nicht.«
    Ich nahm das Kätzchen aus der Schachtel und trug es ins Badezimmer, um einen Namen auszusuchen. Und sofort fand ich ein wahnsinnig elegantes Wort. Ich hielt den Kleinen an meine Wange und erzählte ihm, wie er hieß, und er fing an zu schnurren und das füllte einen Raum in meinen Ohren, der seit Polkas Tod leer gewesen war.
    Als ich aus dem Badezimmer kam, sah ich, dass Margret meinen kleinen Kater streicheln wollte, und ich sah, wie sie ihren Händen befahl ganz ruhig zu bleiben, weil er doch mir gehörte und weil er ganz neu war.

    Ich wollte sagen, die Regel heißt, dass mein Kater nicht angefasst werden darf, weil das die Regel ist. Aber das sagte ich nicht. Stattdessen ging mein Mund von selber auf und fragte: »Willst du Kamillosan mal streicheln, Margret?«, und das war eine sehr große Überraschung, das kann ich euch sagen.
    »Wir wissen, es ist nicht dasselbe, als wenn Polka Dottie wieder da wäre …«, begann meine Mom.
    »Er ist anders …«, sagte mein Dad.
    »Das weiß ich«, sagte ich ihnen. »Er ist genau richtig.«

    Dann schaute ich hoch und sah, dass auch alles andere genau richtig war: Meine Mutter in ihrer Latzhose, mein Vater, der Komiker, mein Bruder, der nicht mit einem Obstnamen gestraft war, Margret mit ihrem Margrethut, Mitchell, der den Clementine-die-Heldin -Kuchen anschnitt, unsere Wohnung, die nicht wie aus einer Zeitschrift aussah. Und als dann Margrets Mutter zu mir kam und sagte, »morgen nach der Schule gehe ich mit euch beiden zu meinem Friseur, damit ihr wieder anständige Frisuren kriegt«, hätte ich fast gesagt, »nein danke«, weil ich wirklich rein gar nichts ändern wollte.
    Aber sie lächelte mich an und auch das sah genau richtig aus, und deshalb lächelte ich zurück und sagte: »Super!«
    Und dann verteilte ich den Kuchen und war ungeheuer höflich, weil ich allen anderen zuerst ein Stück gab und mir erst ganz zuletzt eins nahm.
    Genauer gesagt, zwei. Okay. Meinetwegen.

© by Jeffrey Kassebaum
    Sara Pennypacker war Malerin, bevor
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