Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clementine

Clementine

Titel: Clementine
Autoren: Sara Pennypacker
Vom Netzwerk:
viel Ärger du diese Woche gemacht hast, finde ich den Zeitpunkt für besondere Vergünstigungen nicht gerade gelungen. Du vielleicht?«
    »Okay, meinetwegen«, sagte ich.
    Aber ich dachte etwas ganz anderes.
    Nachmittags musste meine Mom zum Yogakurs und mein Bruder zu seiner Samstagsspielgruppe. Mein Dad war da, aber er musste sich im zweiten Stock um ein »Abflussproblem« kümmern. Samstagsnachmittags spielen Margret und ich sonst miteinander, aber Margret war ja nicht mehr meine Freundin. Also hatte ich drei Stunden lang nichts zu tun, bis es Zeit war, das große Polkabild zu holen, ich konnte ja nicht einmal Gummibärchen essen und mir ein Video ansehen.
    Dann ging mir auf, dass ich nicht so ganz wusste, wo ich das Bild aufhängen wollte, wenn ich es erst hätte.
    Was ich brauchte, war eins von den Fenstern ganz oben in der Mitte des Gebäudes, wo das Bild die Tauben verjagen würde. Margrets Wohnung lag im fünften Stock, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Margrets Mutter einer stadtbekannten Verbrecherin ihr Fenster überlassen würde. Der Mann, der im sechsten Stock wohnt, stinkt nach Mottenkugeln, den besuche ich also nie. Die Leute im siebten Stock waren verreist, während ihre Wohnung angestrichen wurde.
    Da fiel mir etwas ein.
    Ich sauste hoch in den siebten Stock, um zu fragen, ob die Maler inzwischen Hilfe brauchten. Niemand machte auf, als ich an die Wohnungstür klopfte, aber die Stelzen und alle Pinsel und Farbdosen der Maler standen im Hausflur. Der Flur war noch nicht angestrichen worden und das brachte mich auf eine großartige Idee. Ich konnte ihnen die Arbeit abnehmen! Und wenn sie am Montag wiederkämen, würden sie sich an die Stirn fassen und Hey-das-muss-ein-Traum-sein-Gesichter machen. Sie würden sich den Kopf darüber zerbrechen, wer ihnen so einen großen Gefallen getan hätte. Dann würde ich kommen und sagen: »Das war doch nur ich.«
    Ich lächelte noch immer über diese Vorstellung, als ich mir die Stelzen anschnallte. Aber als ich aufstehen wollte, kippte ich einfach um. Ich machte noch einen Versuch und kippte gleich wieder um.
    Neunundzwanzig Mal, was eine Menge war, das könnt ihr mir glauben, und danach reichte es mir.
    Auf dem Weg nach unten hielt der Fahrstuhl im fünften Stock. Ich war ein bisschen aufgeregt, als Margret einstieg und mich anlächelte, aber eine Sekunde nach ihr kam auch Amanda-Lee.

    »Hallo, Clementine. Wir wollen zur Einkaufspassage«, sagte Margret.
    Ich drehte mich um und tat so, als ob ich schrecklich damit beschäftigt sei, auf alle Knöpfe zu drücken, bis die beiden ausstiegen. Dann ging ich in mein Zimmer und zeichnete ein Bild von mir in der Einkaufspassage, mit ganz vielen neuen besten Freundinnen.
    Endlich war Zeit, zum Kopierladen zu gehen, und ich rannte den ganzen Weg, obwohl ich mir wahrscheinlich bei den vielen Stürzen beide Beine gebrochen hatte.
    Als mir der Mann im Laden das Bild von Polka Dottie brachte, tat mein Herz so weh, dass ich eine Minute lang keine Luft mehr bekam. In Groß sah sie so schön aus und sie fehlte mir so sehr. Ich saugte ganz schnell Luft in mich hinein, um nicht in Ohnmacht zu fallen, und dann sagte ich »danke« und ging mit Polka nach Hause und gab mir alle Mühe, sie nicht zu knicken, das wäre ihr nämlich überhaupt nicht recht gewesen.
    Als ich vor unserem Haus stand, schaute ich durch all die Tauben nach oben. Und ganz oben lag die Wohnung der alten Frau Jacobi. Ich klemmte mir das große Bild von Polka unter den Arm, fuhr mit dem Fahrstuhl in den achten Stock und klopfte an Frau Jacobis Tür.
    »Kann ich das in Ihr Fenster hängen?«, fragte ich. »Ich meine, das mitten in Ihrem Wohnzimmer?«
    Frau Jacobi sagte: »Aber natürlich, Herzchen«, ohne auch nur zu fragen, warum, und plötzlich sah sie gar nicht mehr so alt und langweilig aus.
    Ich ging zum Fenster und machte es auf. Als ich hinunterschaute, konnte ich die Rücken von einer Million gurrender Tauben sehen. Sie bedeckten jede Fensterbank, jeden Balkon, jedes Gesims, jeden Stein, der auch nur einen Zentimeter hervorragte. Dazwischen konnten wir den Bürgersteig vor dem Haus sehen, er war noch immer nass, weil mein Dad ihn sauber gespritzt hatte. Ich nahm an, dass Dad das hier gemeint hatte, als er sagte, dass ich Dinge aus einem anderen Blickwinkel sehe, aber ich konnte nicht begreifen, wieso das eine Hilfe sein sollte.
    Frau Jacobi trat neben mich und schüttete eine halbe Packung Cornflakes auf die Fensterbank. Die Tauben stoben in einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher