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Clementine

Clementine

Titel: Clementine
Autoren: Sara Pennypacker
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Spiegel und fing wieder an zu weinen. »Ich habe Leim in die Haare gekriegt«, schluchzte sie. »Ich wollte den nur rausschneiden!«
    Margrets Haare gingen eigentlich über den halben Rücken. Es war schwer, nicht zu bemerken, dass der ganze Teil über ihrem linken Ohr fehlte.
    »Vielleicht, wenn wir auch über deinem rechten Ohr ein Stück wegnehmen …«, schlug ich vor.

    Margret wischte sich die Augen und nickte. Sie gab mir die Schere.
    Ich schnitt. Wir schauten wieder in den Spiegel.
    »Sieht aus wie ein Pony«, sagte ich, um sie aufzumuntern. »So ungefähr.«
    »Aber den hat man vorn und nicht an den Seiten«, sagte Margret. Dann seufzte sie tief, griff zur Schere und schnitt sich alle Haare über der Stirn ab.
    Jetzt hatte sie sich also die vordere Hälfte ihrer Haare weggesäbelt und die hintere Hälfte war lang und glatt und glänzte.
    »Nicht so toll«, sagte Margret und schaute dabei in den Spiegel.
    »Nicht so toll«, stimmte ich zu.
    Wir sahen uns ihre nicht so tollen Haare wirklich sehr lange im Spiegel an, ohne irgendetwas zu sagen, was mir sehr schwerfällt. Dann fing Margrets Unterlippe an zu zittern und ihre Augen füllten sich wieder mit dicken Tränen. Sie gab mir die Schere, kniff die Augen zu und drehte sich um.
    »Alles?«, fragte ich.
    »Alles.«
    Also schnitt ich. Was nicht ganz einfach ist mit solchen Bastelscheren aus Plastik, das kann ich euch sagen. Und als ich fast fertig war, kam die Kunstlehrerin herein, um nach uns zu sehen.
    »Clementine!«, schrie sie. »Was machst du denn da?«
    Da wurde Margret total historisch und die Kunstlehrerin wurde auch total historisch und niemandem fiel etwas ein, was wir noch tun konnten, außer dem Üblichen, nämlich mich ins Büro der Rektorin zu schicken.
    Während ich dort wartete, zeichnete ich ein Bild von Margret mit abgesäbelten Haaren. Auf meinem Bild sah sie richtig schön aus, wie ein Löwenzahn. Hier ist es:

    Wenn es einen Sonderkurs für künstlerisch begabte Kinder gäbe, würde ich da garantiert mitmachen. Aber so einen Kurs gibt es nicht und das ist unfair – es gibt nur Kurse für Mathe und Englisch. Ich bin nicht so richtig gut in Englisch, okay, meinetwegen. Aber in diesem Jahr bin ich im Begabtenkurs für Mathe. Und jetzt kommt die böse Überraschung – bisher gab’s keine Gaben.
    Ich erzählte Rektorin Rice von diesem Problem, als sie vom Margrets-Mutter-Beruhigen zurückkam.
    »Bisher keine Gaben«, teilte ich ihr überaus höflich mit.
    Rektorin Rice verdrehte ihre Augen zur Decke, als ob sie dort etwas suchte. Deckenschnecken vielleicht, die nur darauf warten, auf dich runterzutropfen. Davor hatte ich jedenfalls immer Angst, als ich noch klein war. Jetzt hab ich vor gar nichts mehr Angst.
    Okay, meinetwegen, ich hab Angst vor spitzen Sachen. Aber das ist alles. Und vor Bumerangs.
    »Clementine, pass auf«, sagte Rektorin Rice. »Wir müssen über Margrets Haare sprechen. Was machst du auf dem Boden?«

    »Ich helf Ihnen, Deckenschnecken zu suchen«, sagte ich ihr.
    »Deckenschnecken? Was denn für Deckenschnecken?«, fragte sie.
    Versteht ihr, was ich meine? Ich passe auf; alle anderen – nicht. Ich finde es wirklich erstaunlich, dass jemand mit solchen Problemen eine Schule leiten darf.
    »Na gut, Clementine«, sagte Rektorin Rice mit ihrer Ich-versuch-ja-geduldig-zu-sein-aber-leicht-ist-das-nicht-Stimme. »Warum hast du Margret die Haare abgeschnitten?«
    »Ich wollte ihr helfen«, sagte ich.
    Und dann erzählte ich Rektorin Rice, dass ich auch ihr geholfen habe. »Ich bin ans Telefon gegangen, als Sie weg waren. Ich habe ein paar neue Haustiere für die Schule bestellt und dem Sportlehrer erzählt, dass wir nie wieder Brennball spielen werden, und ich habe zwei Termine für Sie gemacht. Die Verbindung fiel immer wieder aus, ich glaube, Ihr Telefon ist kaputt. Aber ein bisschen geholfen habe ich Ihnen doch.«
    Das hatte ich jedenfalls gedacht.
    Aber auf der Rektorinnenschule wird denen ein Blick beigebracht, der überhaupt nicht nett ist.

2. KAPITEL
    Margret wartete in der Eingangshalle unseres Hauses auf mich, als ich nach der Schule aus dem Bus stieg. Ich zeigte ihr mein Bild.
    »AAAAHHHH!«, kreischte sie. »Ich seh ja aus wie ein Löwenzahn!«
    Das zeigt, was für eine begabte Künstlerin ich bin, alle sehen immer sofort, was es sein soll.
    »Löwenzähne sind schön.« Ich zog sie zum Fahrstuhl, der einen Spiegel hat, damit sie es auch sah.
    Margret schüttelte den Kopf. »Als Blumen vielleicht. Aber nicht
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