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Clementine

Clementine

Titel: Clementine
Autoren: Sara Pennypacker
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Kissen, damit sie es sehen konnte, ohne aufzustehen. Das nennt man umsichtig sein .
    »Nix da«, sagte sie, ohne auch nur die Augen aufzumachen, um nachzusehen, ob ich die Wahrheit gesagt hatte.
    »Aber das ist noch nicht alles«, sagte ich. »Ich habe außerdem ganz fürchterlich wehe Irisse.«
    »Nix da«, sagte sie wieder und machte noch immer nicht die Augen auf.
    »Ich glaube übrigens, dass ich Arthritis habe«, sagte ich. »Frau Jacobi hat mich neulich im Fahrstuhl angehaucht und da habe ich mich sicher angesteckt.«
    »Oh bitte«, sagte meine Mom, machte diesmal aber immerhin ein Auge auf. Und dann machte sie genau das Geräusch, das Polka Dottie immer gemacht hat, um einen Haarball auszuwürgen.
    Ich packte einen Zipfel ihrer Steppdecke und legte sie mir über den Kopf, aber meine Mom zog die Decke weg. Sie nahm meinen Kopf in die Hände und drehte ihn hin und her, um ihn von allen Seiten zu betrachten. Viel zu doll, als ob ich nicht darin wäre.
    »Du hast dir die Haare abgeschnitten!«, sagte sie. »Du hast dir deine schönen Haare abgeschnitten! Was in aller Welt hast du dir bloß dabei gedacht, Clementine?«

    »Ich wollte, dass Margret nicht mehr so traurig ist«, erklärte ich. »Sie sollte nicht mehr die Einzige sein. Aber ich hatte eins vergessen. Margret kommt heute nicht in die Schule. Sie hat einen Termin beim Kiefereuropäden und bekommt Spangen auf die Zähne.«
    Mom stöhnte und machte die Augen wieder zu. Aber sie rutschte zur Seite und machte auf dem warmen Teil ihres Lakens Platz für mich.
    Ich stieg ins Bett und schnüffelte erst mal ordentlich. Moms Betthälfte riecht nach Zimtbrötchen. Die von meinem Dad riecht nach Tannenzapfen. Und in der Mitte mischt sich alles ganz wunderbar – da bin ich am liebsten. Aber an diesem Morgen war Dad schon in den Großen Taubenkrieg gezogen und ich fand es auch schön, im Zimtbrötchenteil zu liegen.
    Meine Mom legte den Arm um mich. »Also wirst du jetzt die Einzige sein. Tut mir wirklich leid, Liebes, aber du kannst nicht zu Hause bleiben. Du musst in die Schule gehen und dich der Sache stellen.«
    Also musste ich in die Schule gehen, was sich fast als böser Fehler erwiesen hätte, denn um ein Haar wäre ich mit Krankenwagen und Sirenen und allem Drum und Dran ins Krankenhaus gefahren worden!
    Es passierte im Büro der Rektorin, wo meine Lehrerin mich hingeschickt hatte, um ein bisschen übers Stillsitzen zu plaudern.
    Als ich ins Zimmer kam, machte auch Rektorin Rice dieses Haarballengeräusch. »Clementine!«, würgte sie heraus. »Was hast du denn angestellt? Du hast dir die Haare abgeschnitten!«
    Ich fand es gut, dass sie ihre Frage selbst beantwortete, da brauchte ich das nicht zu tun. »Hey«, sagte ich stattdessen. »Clementine und Rice. Wir haben beide Essensnamen!«
    Frau Rice presste die Lippen fest aufeinander, als ob sie Angst hätte, ihre Zähne könnten weglaufen. Dann faltete sie den Zettel meiner Lehrerin auseinander.
    »Ich kann nichts dafür«, sagte ich, ehe sie mit dem Plaudern anfangen konnte. »Ich bin gegen Stillsitzen allergisch.«
    »Niemand ist gegen Stillsitzen allergisch, Clementine«, sagte sie.
    »Ich wohl«, sagte ich. »Mein Bruder ist allergisch gegen Erdnüsse. Wenn er eine isst, kriegt er überall juckenden Ausschlag und schwillt an und kann nicht richtig atmen. Wenn ich versuche still zu sitzen, kriege ich überall juckenden Ausschlag und schwelle an und kann nicht richtig atmen. Das bedeutet doch wohl, dass ich gegen Stillsitzen allergisch bin.«
    Frau Rice kniff die Augen zusammen und rieb sich die Stirn. Ich weiß zufällig, dass das bedeutet, das ist so eine schlechte Idee, dass ich davon Kopfschmerzen kriege, denn dieses Gesicht mache ich, wenn meine Mutter sagt, ich müsste Frau Jacobi besuchen. Bei mir wirkt das Gesicht nie.
    »Außerdem«, erklärte ich, »wenn mein Bruder auch nur eine winzige Erdnuss isst, könnte es sein, dass er mit dem Krankenwagen und Sirenen und allem ins Krankenhaus gebracht werden muss! Wenn ich also auch nur für eine Minute stillsitze … oha!« Ich zappelte mal eben eine Runde, einfach sicherheitshalber. »Puh«, sagte ich. »Das wäre fast schiefgegangen.«
    Rektorin Rice seufzte wie ein angepikster Luftballon. »Clementine, meinst du, während der Schulstunden könntest du von jetzt an versuchen ein wenig ruhiger zu zappeln?«
    Ich fragte meinen Körper und er sagte: »Klar«, also sagte ich es Frau Rice weiter. »Klar«, sagte ich.
    »Gut«, sagte sie. »Und wo du nun
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