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Clementine schreibt einen Brief

Clementine schreibt einen Brief

Titel: Clementine schreibt einen Brief
Autoren: Sara Pennypacker
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Nacken und zischte ihm zu, er sollte seine Hausaufgaben auspacken. Ich bohrte Willy auch den Finger in den Nacken – aber nicht zu fest, weil er da schon jede Menge Bohrstellen hat – und zischte ihn ebenfalls an.
    Dann klatschte Frau Nagel in die Hände, damit wir alle zuhörten.
    Lilly legte ihre Hände übereinander auf ihren Tisch und setzte sich gerade hin. Ich reckte mich, um besser sehen zu können. Sie starrte Frau Nagel an wie hypnotisiert. Ich legte meine Hände aufeinander und machte auch ein hypnotisiertes Gesicht. Dann ließ ich mich auf den Boden rutschen, um besser sehen zu können, was Lilly mit ihrem restlichen Körper anstellte.
    Und ihr werdet nicht glauben, was ich da sah: Jeder Teil von Lilly war total erstarrt. Nichts bewegte sich, kein einziger Zeh! Frau Nagel hatte sie zu einer Statue hypnotisiert. Vor ihr war Willy ebenfalls erstarrt.
     

     
    »Clementine, was machst du da auf dem Boden?«, brüllte Frau Nagel. Okay, meinetwegen, vielleicht sagte sie das auch nur, aber für mich auf dem Boden hörte es sich an wie Gebrüll. »Ist dir etwas heruntergefallen?«
    »Nein, ich wollte nur sehen, was Lilly macht, damit ich das auch machen kann«, erklärte ich.
    »Hier vorn gibt es einen leeren Platz«, sagte Frau Nagel. »Vielleicht fällt dir das Konzentrieren ja leichter, wenn du hierher umziehst.«
    Also musste ich mich ganz nach vorn setzen und das Pult mit all ihrem Kram ansehen, wo doch der Kram unseres richtigen Lehrers da hingehört hätte.
    Dann sammelte sie unsere Hausaufgaben ein, steckte sie in einen großen Briefumschlag und legte den Briefumschlag auf ihr Pult. Und das war gut so, denn der Umschlag erinnerte mich den ganzen Tag lang daran, dass unser Lehrer N-I-C-H-T, nicht diesen Ägyptenpreis gewinnen würde. Wenn die Jury erst einmal meinen Brief gelesen hatte, würde sie ihn am Montagmorgen sofort in unsere Klasse zurückschicken. Er würde für den Rest des Jahres unser Lehrer sein, genau, wie er sich das gewünscht hatte. Genau, wie er das versprochen hatte. Und sofort fühlte ich mich sehr viel wohler.
    Na gut, meinetwegen, nicht sehr viel wohler. Aber ein bisschen.
     
    Als ich aus der Schule nach Hause kam, saßen meine Eltern am Küchentisch und starrten einen Stapel Post an, genauso, wie ich am Vortag meine Hausaufgaben angestarrt hatte. Als ob sie nicht fassen könnten, was da von ihnen verlangt wurde. Das bedeutete, dass es der erste Tag des Monats war, und das ist in unserer Familie der Rechnungstag. Ich mag den Rechnungstag nicht, denn am Rechnungstag sagen meine Eltern immer nein, egal, worum ich sie bitte. Ich machte aber trotzdem einen Versuch. »Ich muss ein paar neue Namen für Broccoli finden. Kann jemand von euch mit mir in einen Gemüseladen gehen?«
    »Allererstens heißt dein Bruder nicht Broccoli. Und allerzweitens: Nein«, sagten sie wie aus einem Munde. Dann sahen sie beide aus, als ob ihnen eine wunderbare, gerissene Idee gekommen wäre. »Warte! Ja! Ich geh mit!«, sagten beide wieder wie aus einem Munde und sprangen vom Tisch auf. Dann wechselten sie einen Blick und alle vier Schultern fielen herab und sie sanken wieder auf ihre Stühle. »Nein, wir können nicht«, seufzten beide im selben Moment. Und dann starrten sie wieder die vielen Rechnungen an.
     

     
    Schließlich schaute meine Mom auf. »Heute ist Dienstag. Vielleicht kann Mitchell mitgehen.«
    Dienstags und donnerstags muss Margrets Mutter bis abends in der Bank arbeiten. Manchmal gibt sie Mitchell zwei Dollar dafür, dass er für sie einkauft und Margret mitnimmt, damit er gleichzeitig auf sie aufpassen kann. »Das ist kein Babysitten«, schreit Margret dann alle an, denen sie begegnet. »Und eigentlich müsste ich die zwei Dollar dafür bekommen, dass ich auf ihn aufpasse!« Manchmal geben meine Eltern Mitchell auch Geld dafür, dass er für sie einkaufen geht und meinen Bruder und mich nicht-babysittet.
    Ich wählte die Nummer.
    »Red-Sox-Trainingslager. Hier spricht Mitchell der Fänger, zukünftiger Starspieler.«
    Mitchell ist total versessen auf die Boston Red Sox. Für ihn sind sie das beste Baseballteam auf der Welt. Er sagt, die Red Sox könnten nur auf eine Weise noch besser werden, nämlich, wenn sie ihn in ihr Team aufnähmen. Was natürlich bald passieren wird.
    Aber am Telefon meldet er sich nur so, wenn seine Mutter nicht zu Hause ist. Margrets und Mitchells Mutter hat keinen Sinn für Humor. Mein Dad sagt, jeden Tag mit Margret und ihren Regeln leben zu müssen würde
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