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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
Autoren: Laura Amy Schlitz
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gefiederte Zauberwedel, die beim Staubwischen kicherten, und Schwämme, die eine Melodie gurgelten. Nie verlöschende Lampen und unschmelzbares Eis – zwei Verkaufsschlager des Zauberers – lagen in den Regalen bereit, um verkauft oder als Geschenke verpackt zu werden. Doch Oona hatte heute wenig Lust, den Laden zu betreten. Genauso wenig wie alle anderen, wie es schien.
    Der Geschäftsführer, Mr Alpert, ein grauhaariger alter Mann mit gewaltigem Überbiss und Brillengläsern so groß und rund wie Untertassen, saß müßig hinter dem Tresen. Seine vergrößerten Augenlider waren fast geschlossen, als würde er jeden Augenblick einnicken. Der Anblick des leeren Geschäfts konnte den Eindruck vermitteln, dass Magie genauso aufregend war, wie Apfelscheiben beim Trocknen zuzuschauen. Also kein bisschen spannend. Und der Laden selbst sah offen gestanden aus, als müsste er dringend renoviert werden.
    Direkt nebenan erstreckte sich dagegen eine frisch gestrichene Ladenfront zwischen dem Zauberladen auf der einen und dem Schuhmacher auf der anderen Seite. Hinter den weit geöffneten Türen herrschte umtriebige Geschäftigkeit. Ein großes Schild über dem glänzenden Schaufenster verkündete: MR WILBER’S WELT MODERNER WUNDER. Einkäufer und Neugierige drängten sich durch die Türen von Mr Wilbers fantastischem Laden, wo von modernsten Zahnbürsten und Fahrrädern bis zu Fotozubehör und neumodischen Waffeleisen beinahe sämtliche technische Gerätschaften, die im Jahr 1877 auf den Markt gekommen waren, feilgeboten wurden.
    Mr Wilber, ein schlaksiger Bindfaden von einem Mann, mit flachem Gesicht und überproportionalem Adamsapfel, wirkte nie gelangweilt, wie das bei Mr Alpert so oft der Fall war, was nach Oonas Vermutung darauf zurückzuführen war, dass Mr Wilber viel zu beschäftigt war, die Erwartungen seiner nach technischen Neuerungen schreienden Kundschaft zu erfüllen.
    Oona seufzte. Der Tag war strahlend hell, und die Luft war sauber. Der Geruch nach frischem Frühlingsgrün und staubigem Kopfsteinpflaster drang in jeden noch so schattigen Winkel der Straße vor. Nach einem Blick auf ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe des Zauberladens strich Oona über ihre spitzenbesetzte Haube und ihr Haar. Seit dem gestrigen Zwischenfall mit der Guillotine war es keinen Millimeter gewachsen, und jetzt zupfte sie ständig daran herum, um es zu glätten – ein schier aussichtsloses Unterfangen.
    »Du musst vorsichtiger sein!«, lautete der Rat ihres Onkels bezüglich des Zwischenfalls, bei dem ihr fast der Kopf abgehackt worden war. Seine Worte waren sehr direkt und sein Tonfall ungewöhnlich streng. »Ich gebe nur meine Zustimmung zu deiner Detektivgeschichte, wenn du mir versprichst, dass du dich nie wieder in so eine gefährliche Situation bringst. Ich meine es ernst, Oona! Igregious Goodfellow ist Schurke, Dieb und mordlustiger Irrer in einer Person. Du hattest riesengroßes Glück, dass nur deine Haare in die grässliche Guillotine dieses Halunken geraten sind. Du hättest ihm niemals in sein geheimes Versteck folgen dürfen. Als du herausgefunden hast, dass er das Schmuckgeschäft der Horton Familie ausgeraubt hat, hättest du die Sache der Polizei überlassen sollen.«
    Oona hatte bei diesem Vorschlag die Augen verdreht. Ihr Onkel musste doch wissen, dass man der Polizei nicht trauen durfte. Seit fast drei Jahren, als Oberinspektor White die Leitung übernommen hatte, betrachteten sowohl gesetzestreue Bürger als auch Kriminelle das Polizeikommissariat der Dark Street als einen Witz. Noch nie zuvor hatte das Verbrechen in der Straße derart floriert.
    »Du hast Glück gehabt, dass du dich von den Fesseln befreien konntest, bevor dieser Wahnsinnige die Klinge gelöst hat«, fuhr ihr Onkel in strengem Ton fort, »und dass Deacon so schnell zur Polizei geflogen ist … sonst … sonst …« Der Zauberer seufzte und schüttelte den Kopf. »Du bist doch noch ein Kind, Oona. Und du bist nicht dein Vater.«
    Diese Worte hatten wehgetan. Oona musste sich auf die Zunge beißen, um den Zauberer nicht darauf hinzuweisen, dass auch er nicht ihr Vater war, und dass ihr Vater tot war und sechs Fuß tief unter der Erde des Dark-Street-Friedhofs begraben lag. Aber warum sollte sie das zur Sprache bringen? Es hätte ihn nur traurig gemacht.
    Ihr Onkel mochte nicht der großartigste Magier sein, der jemals das Amt des Dark-Street-Zauberers innehatte – einige schätzten seine magischen Fähigkeiten sogar nur als mittelmäßig
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